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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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hervorgethan, von dem man den Tag über
keine Spur sieht. Es ist die Bastion des
Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore
liegt. Hier sind Zelte, mit allen Erfrischun-
gen versehen, aufgeschlagen, mit Banken um-
schlossen, durch Musik erheitert. Auf diesem
engen Platze drängen sich Menschen aus allen
Ständen, von jedem Alter und Geschlecht,
unter Staubwolken herum, und er ist der
Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden,
doch nur den Verhandlungen und nicht dem
Abschlusse nach, gegen welchen die Polizeysol-
daten wachen. Man findet bis nach Mitter-
nacht Leute auf diesem Spatziergange; aber er
fängt schon an zu sinken, und treue Weiber
und sorgsame Mütter und Väter kommen nicht,
und lassen auch ihre Kinder nicht mehr hieher.
Eine ähnliche Nachtpartie ist der Spatziergang
und das Konzert am Graben, vor den dorti-
gen berühmten Kaffeehäusern, die, so wie das
nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano,
in Verfertigung des Gefrornen glänzen. Hier

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hervorgethan, von dem man den Tag uͤber
keine Spur ſieht. Es iſt die Baſtion des
Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore
liegt. Hier ſind Zelte, mit allen Erfriſchun-
gen verſehen, aufgeſchlagen, mit Banken um-
ſchloſſen, durch Muſik erheitert. Auf dieſem
engen Platze draͤngen ſich Menſchen aus allen
Staͤnden, von jedem Alter und Geſchlecht,
unter Staubwolken herum, und er iſt der
Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden,
doch nur den Verhandlungen und nicht dem
Abſchluſſe nach, gegen welchen die Polizeyſol-
daten wachen. Man findet bis nach Mitter-
nacht Leute auf dieſem Spatziergange; aber er
faͤngt ſchon an zu ſinken, und treue Weiber
und ſorgſame Muͤtter und Vaͤter kommen nicht,
und laſſen auch ihre Kinder nicht mehr hieher.
Eine aͤhnliche Nachtpartie iſt der Spatziergang
und das Konzert am Graben, vor den dorti-
gen beruͤhmten Kaffeehaͤuſern, die, ſo wie das
nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano,
in Verfertigung des Gefrornen glaͤnzen. Hier

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[227/0499] hervorgethan, von dem man den Tag uͤber keine Spur ſieht. Es iſt die Baſtion des Stadtwalles, die gleich vor dem Burgthore liegt. Hier ſind Zelte, mit allen Erfriſchun- gen verſehen, aufgeſchlagen, mit Banken um- ſchloſſen, durch Muſik erheitert. Auf dieſem engen Platze draͤngen ſich Menſchen aus allen Staͤnden, von jedem Alter und Geſchlecht, unter Staubwolken herum, und er iſt der Stapelplatz des verliebten Verkehrs geworden, doch nur den Verhandlungen und nicht dem Abſchluſſe nach, gegen welchen die Polizeyſol- daten wachen. Man findet bis nach Mitter- nacht Leute auf dieſem Spatziergange; aber er faͤngt ſchon an zu ſinken, und treue Weiber und ſorgſame Muͤtter und Vaͤter kommen nicht, und laſſen auch ihre Kinder nicht mehr hieher. Eine aͤhnliche Nachtpartie iſt der Spatziergang und das Konzert am Graben, vor den dorti- gen beruͤhmten Kaffeehaͤuſern, die, ſo wie das nahe dabey am Kohlmarkt gelegene Milano, in Verfertigung des Gefrornen glaͤnzen. Hier P 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/499>, abgerufen am 17.05.2024.