Der Kaufmannsstand, der, trotz dem Ver- falle des Handels, immer noch ansehnlich und zahlreich genug in Nürnberg ist, genießt ei- gentlich des Lebens noch am meisten und mit dem wenigsten Zwange. Man findet die Mit- glieder desselben in allen öffentlichen Gärten um Nürnberg, auf den Spatziergängen, in den Klubbs, unter den Schützengesellschaften, auf Bällen, Redouten, Kirchweihen, in öf- fentlichen Konzerten etc. Diese Vergnügungen sind alle auf einen sparsamen Fuß gesetzt und verschaffen dem sonst fleißigen Manne die nö- thige Erholung ohne große Kosten. Fremden, die eine Weile in dieser merkwürdigen Stadt leben wollen, rathe ich, sich an diesen Stand zu halten, unter welchen sie viel unterrichtete Männer finden werden, die von dem altreichs- städtischen, breiten, umständlichen Ton weit entfernt und zugleich noch Muster altdeutscher Redlichkeit und Offenheit sind. Wer als Frem- der sich zu den Cirkeln desselben hält, kann auch, ohne ihre Eifersucht zu erregen, mit
Der Kaufmannsſtand, der, trotz dem Ver- falle des Handels, immer noch anſehnlich und zahlreich genug in Nuͤrnberg iſt, genießt ei- gentlich des Lebens noch am meiſten und mit dem wenigſten Zwange. Man findet die Mit- glieder deſſelben in allen oͤffentlichen Gaͤrten um Nuͤrnberg, auf den Spatziergaͤngen, in den Klubbs, unter den Schuͤtzengeſellſchaften, auf Baͤllen, Redouten, Kirchweihen, in oͤf- fentlichen Konzerten ꝛc. Dieſe Vergnuͤgungen ſind alle auf einen ſparſamen Fuß geſetzt und verſchaffen dem ſonſt fleißigen Manne die noͤ- thige Erholung ohne große Koſten. Fremden, die eine Weile in dieſer merkwuͤrdigen Stadt leben wollen, rathe ich, ſich an dieſen Stand zu halten, unter welchen ſie viel unterrichtete Maͤnner finden werden, die von dem altreichs- ſtaͤdtiſchen, breiten, umſtaͤndlichen Ton weit entfernt und zugleich noch Muſter altdeutſcher Redlichkeit und Offenheit ſind. Wer als Frem- der ſich zu den Cirkeln deſſelben haͤlt, kann auch, ohne ihre Eiferſucht zu erregen, mit
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Der Kaufmannsſtand, der, trotz dem Ver-
falle des Handels, immer noch anſehnlich und
zahlreich genug in Nuͤrnberg iſt, genießt ei-
gentlich des Lebens noch am meiſten und mit
dem wenigſten Zwange. Man findet die Mit-
glieder deſſelben in allen oͤffentlichen Gaͤrten
um Nuͤrnberg, auf den Spatziergaͤngen, in
den Klubbs, unter den Schuͤtzengeſellſchaften,
auf Baͤllen, Redouten, Kirchweihen, in oͤf-
fentlichen Konzerten ꝛc. Dieſe Vergnuͤgungen
ſind alle auf einen ſparſamen Fuß geſetzt und
verſchaffen dem ſonſt fleißigen Manne die noͤ-
thige Erholung ohne große Koſten. Fremden,
die eine Weile in dieſer merkwuͤrdigen Stadt
leben wollen, rathe ich, ſich an dieſen Stand
zu halten, unter welchen ſie viel unterrichtete
Maͤnner finden werden, die von dem altreichs-
ſtaͤdtiſchen, breiten, umſtaͤndlichen Ton weit
entfernt und zugleich noch Muſter altdeutſcher
Redlichkeit und Offenheit ſind. Wer als Frem-
der ſich zu den Cirkeln deſſelben haͤlt, kann
auch, ohne ihre Eiferſucht zu erregen, mit
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/178>, abgerufen am 21.11.2024.
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