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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Gebrechen, Schwachheiten und Narrheiten of-
fener und scheuloser, weil er, da er krank ist,
weniger auf seiner Hut bleibt, oder weil er
glaubt, daß man ihm in diesem Zustande mehr
verzeihen werde.

Dieß Schauspiel dauert bis gegen zwölf
Uhr, wo man nach Hause eilt, um seinen
schmalen Bissen zu essen. Nach diesem Ge-
schäft ist es erlaubt, einige Minuten zu schlum-
mern, aber nicht, förmlich zu schlafen. Die
Damen gehen an den Putztisch und kleiden
sich zum Ball, der um vier Uhr seinen An-
fang nehmen soll. Die Herren, die Theil dar-
an nehmen wollen, setzen sich etwas später zu
demselben Geschäfte. Andere schreiben Briefe,
doch sind sie auf ihrer Huth gegen den Brun-
nenarzt, der alles Denken und Schreiben wäh-
rend der Kur untersagt hat; andere haben ei-
nen Spatziergang, eine Landfahrt und ein
gemeinschaftliches Abendessen verabredet; andere
etwas anderes. So vergeht der Nachmittag
und ein Theil des Abends. Gegen neun Uhr

ist

Gebrechen, Schwachheiten und Narrheiten of-
fener und ſcheuloſer, weil er, da er krank iſt,
weniger auf ſeiner Hut bleibt, oder weil er
glaubt, daß man ihm in dieſem Zuſtande mehr
verzeihen werde.

Dieß Schauſpiel dauert bis gegen zwoͤlf
Uhr, wo man nach Hauſe eilt, um ſeinen
ſchmalen Biſſen zu eſſen. Nach dieſem Ge-
ſchaͤft iſt es erlaubt, einige Minuten zu ſchlum-
mern, aber nicht, foͤrmlich zu ſchlafen. Die
Damen gehen an den Putztiſch und kleiden
ſich zum Ball, der um vier Uhr ſeinen An-
fang nehmen ſoll. Die Herren, die Theil dar-
an nehmen wollen, ſetzen ſich etwas ſpaͤter zu
demſelben Geſchaͤfte. Andere ſchreiben Briefe,
doch ſind ſie auf ihrer Huth gegen den Brun-
nenarzt, der alles Denken und Schreiben waͤh-
rend der Kur unterſagt hat; andere haben ei-
nen Spatziergang, eine Landfahrt und ein
gemeinſchaftliches Abendeſſen verabredet; andere
etwas anderes. So vergeht der Nachmittag
und ein Theil des Abends. Gegen neun Uhr

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[96/0104] Gebrechen, Schwachheiten und Narrheiten of- fener und ſcheuloſer, weil er, da er krank iſt, weniger auf ſeiner Hut bleibt, oder weil er glaubt, daß man ihm in dieſem Zuſtande mehr verzeihen werde. Dieß Schauſpiel dauert bis gegen zwoͤlf Uhr, wo man nach Hauſe eilt, um ſeinen ſchmalen Biſſen zu eſſen. Nach dieſem Ge- ſchaͤft iſt es erlaubt, einige Minuten zu ſchlum- mern, aber nicht, foͤrmlich zu ſchlafen. Die Damen gehen an den Putztiſch und kleiden ſich zum Ball, der um vier Uhr ſeinen An- fang nehmen ſoll. Die Herren, die Theil dar- an nehmen wollen, ſetzen ſich etwas ſpaͤter zu demſelben Geſchaͤfte. Andere ſchreiben Briefe, doch ſind ſie auf ihrer Huth gegen den Brun- nenarzt, der alles Denken und Schreiben waͤh- rend der Kur unterſagt hat; andere haben ei- nen Spatziergang, eine Landfahrt und ein gemeinſchaftliches Abendeſſen verabredet; andere etwas anderes. So vergeht der Nachmittag und ein Theil des Abends. Gegen neun Uhr iſt

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/104>, abgerufen am 22.11.2024.