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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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tragen herum schwimmt; hier zeigt ein drit-
ter seine beyden großen Uhrketten und seinen
kleinen zierlichen Frack, mit denen er das Au-
ge von den Gichtknoten an seinen Spindel-
füßen gern abziehen möchte; hier zeigt ein
selbstzufriedener Doktor und Professor durch
schnelles Hin- und Wiederlaufen zu vornehmen
Herren und Damen, daß seine Krankheit noch
immer nicht in die Füße herab will; hier zeigt
ein bescheidener Dorfpfarrer, seine altmodische
Hälfte am Arme, und in den entferntern Al-
leen wie auf den Zehen herumtrippelnd, daß
er wenig Vertrauen mehr zu seinem Amte
habe; hier zeigt der alte Podagrist, zierlich
frisirt, den Hut unterm Arm, die Füße in
Sammet geschnürt, einen Becher Chokolade
zwischen den spitzen Fingern haltend, jedem
hübschen jungen Mädchen was Schönes erzäh-
lend, daß bey ihm die Strafe für seine Sün-
den den guten Willen zu sündigen noch nicht
ausgebissen hat; hier zeigt endlich der Mensch
-- der krank ist -- alle seine junge und alte

tragen herum ſchwimmt; hier zeigt ein drit-
ter ſeine beyden großen Uhrketten und ſeinen
kleinen zierlichen Frack, mit denen er das Au-
ge von den Gichtknoten an ſeinen Spindel-
fuͤßen gern abziehen moͤchte; hier zeigt ein
ſelbſtzufriedener Doktor und Profeſſor durch
ſchnelles Hin- und Wiederlaufen zu vornehmen
Herren und Damen, daß ſeine Krankheit noch
immer nicht in die Fuͤße herab will; hier zeigt
ein beſcheidener Dorfpfarrer, ſeine altmodiſche
Haͤlfte am Arme, und in den entferntern Al-
leen wie auf den Zehen herumtrippelnd, daß
er wenig Vertrauen mehr zu ſeinem Amte
habe; hier zeigt der alte Podagriſt, zierlich
friſirt, den Hut unterm Arm, die Fuͤße in
Sammet geſchnuͤrt, einen Becher Chokolade
zwiſchen den ſpitzen Fingern haltend, jedem
huͤbſchen jungen Maͤdchen was Schoͤnes erzaͤh-
lend, daß bey ihm die Strafe fuͤr ſeine Suͤn-
den den guten Willen zu ſuͤndigen noch nicht
ausgebiſſen hat; hier zeigt endlich der Menſch
— der krank iſt — alle ſeine junge und alte

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[95/0103] tragen herum ſchwimmt; hier zeigt ein drit- ter ſeine beyden großen Uhrketten und ſeinen kleinen zierlichen Frack, mit denen er das Au- ge von den Gichtknoten an ſeinen Spindel- fuͤßen gern abziehen moͤchte; hier zeigt ein ſelbſtzufriedener Doktor und Profeſſor durch ſchnelles Hin- und Wiederlaufen zu vornehmen Herren und Damen, daß ſeine Krankheit noch immer nicht in die Fuͤße herab will; hier zeigt ein beſcheidener Dorfpfarrer, ſeine altmodiſche Haͤlfte am Arme, und in den entferntern Al- leen wie auf den Zehen herumtrippelnd, daß er wenig Vertrauen mehr zu ſeinem Amte habe; hier zeigt der alte Podagriſt, zierlich friſirt, den Hut unterm Arm, die Fuͤße in Sammet geſchnuͤrt, einen Becher Chokolade zwiſchen den ſpitzen Fingern haltend, jedem huͤbſchen jungen Maͤdchen was Schoͤnes erzaͤh- lend, daß bey ihm die Strafe fuͤr ſeine Suͤn- den den guten Willen zu ſuͤndigen noch nicht ausgebiſſen hat; hier zeigt endlich der Menſch — der krank iſt — alle ſeine junge und alte

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/103>, abgerufen am 22.11.2024.