kam, hat noch hölzerne Häuser; die Stadt selbst ist von Steinen, aber im alten Geschmack erbauet. Das gothische Rathhaus füllt fast den ganzen Markt, und hat, wie das eben so gothische Schloß, nichts Merkwürdiges; man müßte es denn an letzterem für eine Merkwür- digkeit halten, daß einer der Höfe mit einer gewaltigen Gallerie von Hirschgeweihen ver- ziert ist, als Beweis von der Liebhaberey des alten Kunstkenners, der sie hieher lieferte. Der Schloßgarten ist klein und ziemlich unansehn- lich, aber die Aussicht von oben herab ist la- chend und mannichfaltig.
Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt der Weg wie auf der vorigen Station. Bres- lau selbst zeigt sich auch schon, wenn man die Hälfte des Weges zurück gelegt hat. Schon hier sieht man, daß man in keine neumodische Stadt zu gelangen im Begriff ist: ihre Thür- me sind von der ältesten Form, und die spitzi- gen, schmalen, hoch herauslaufenden Dächer scheinen von gleichem Alter zu seyn. Man
kam, hat noch hoͤlzerne Haͤuſer; die Stadt ſelbſt iſt von Steinen, aber im alten Geſchmack erbauet. Das gothiſche Rathhaus fuͤllt faſt den ganzen Markt, und hat, wie das eben ſo gothiſche Schloß, nichts Merkwuͤrdiges; man muͤßte es denn an letzterem fuͤr eine Merkwuͤr- digkeit halten, daß einer der Hoͤfe mit einer gewaltigen Gallerie von Hirſchgeweihen ver- ziert iſt, als Beweis von der Liebhaberey des alten Kunſtkenners, der ſie hieher lieferte. Der Schloßgarten iſt klein und ziemlich unanſehn- lich, aber die Ausſicht von oben herab iſt la- chend und mannichfaltig.
Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt der Weg wie auf der vorigen Station. Bres- lau ſelbſt zeigt ſich auch ſchon, wenn man die Haͤlfte des Weges zuruͤck gelegt hat. Schon hier ſieht man, daß man in keine neumodiſche Stadt zu gelangen im Begriff iſt: ihre Thuͤr- me ſind von der aͤlteſten Form, und die ſpitzi- gen, ſchmalen, hoch herauslaufenden Daͤcher ſcheinen von gleichem Alter zu ſeyn. Man
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kam, hat noch hoͤlzerne Haͤuſer; die Stadt
ſelbſt iſt von Steinen, aber im alten Geſchmack
erbauet. Das gothiſche Rathhaus fuͤllt faſt
den ganzen Markt, und hat, wie das eben ſo
gothiſche Schloß, nichts Merkwuͤrdiges; man
muͤßte es denn an letzterem fuͤr eine Merkwuͤr-
digkeit halten, daß einer der Hoͤfe mit einer
gewaltigen Gallerie von Hirſchgeweihen ver-
ziert iſt, als Beweis von der Liebhaberey des
alten Kunſtkenners, der ſie hieher lieferte. Der
Schloßgarten iſt klein und ziemlich unanſehn-
lich, aber die Ausſicht von oben herab iſt la-
chend und mannichfaltig.
Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt
der Weg wie auf der vorigen Station. Bres-
lau ſelbſt zeigt ſich auch ſchon, wenn man die
Haͤlfte des Weges zuruͤck gelegt hat. Schon
hier ſieht man, daß man in keine neumodiſche
Stadt zu gelangen im Begriff iſt: ihre Thuͤr-
me ſind von der aͤlteſten Form, und die ſpitzi-
gen, ſchmalen, hoch herauslaufenden Daͤcher
ſcheinen von gleichem Alter zu ſeyn. Man
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/226>, abgerufen am 22.07.2024.
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