zum Postmeister. Diesen fand ich, auf der andern Seite eines sumpfigten Hofes, in einem Stalle, wohin er sich unter mancherley Thiere gerettet hatte, und wo seine Habseligkeiten, be- sonders aber die eß- und trinkbaren Sachen ihm gefolgt waren. Da er etwas Deutsch konnte, so erfuhr ich von ihm, daß ein Kom- mando Preußen, nebst dessen Anführer, für diese Nacht Platz bey ihm genommen und ihn in diesen Stall verwiesen habe. Jch nahm bey ihm auf seinem Bette Platz, und wurde sogleich durch einen Schrey benachrichtigt, daß sich noch ein drittes menschliches Wesen in un- srer Gesellschaft befände, von dem ich ver- muthlich gar nichts erfahren hätte, wenn ihm meine Last nicht etwas zu schwer geworden wäre. Es zeigte sich ein hübscher Knabe von drey oder vier Jahren, der sich allmählig aus den Betten hervor arbeitete; und es fand sich, daß es der Sohn des fast siebzigjährigen Postmeisters war. Auf die sehr natürliche Fra ge, wo des Kindes Mutter sey, gab er mir
zum Poſtmeiſter. Dieſen fand ich, auf der andern Seite eines ſumpfigten Hofes, in einem Stalle, wohin er ſich unter mancherley Thiere gerettet hatte, und wo ſeine Habſeligkeiten, be- ſonders aber die eß- und trinkbaren Sachen ihm gefolgt waren. Da er etwas Deutſch konnte, ſo erfuhr ich von ihm, daß ein Kom- mando Preußen, nebſt deſſen Anfuͤhrer, fuͤr dieſe Nacht Platz bey ihm genommen und ihn in dieſen Stall verwieſen habe. Jch nahm bey ihm auf ſeinem Bette Platz, und wurde ſogleich durch einen Schrey benachrichtigt, daß ſich noch ein drittes menſchliches Weſen in un- ſrer Geſellſchaft befaͤnde, von dem ich ver- muthlich gar nichts erfahren haͤtte, wenn ihm meine Laſt nicht etwas zu ſchwer geworden waͤre. Es zeigte ſich ein huͤbſcher Knabe von drey oder vier Jahren, der ſich allmaͤhlig aus den Betten hervor arbeitete; und es fand ſich, daß es der Sohn des faſt ſiebzigjaͤhrigen Poſtmeiſters war. Auf die ſehr natuͤrliche Fra ge, wo des Kindes Mutter ſey, gab er mir
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zum Poſtmeiſter. Dieſen fand ich, auf der
andern Seite eines ſumpfigten Hofes, in einem
Stalle, wohin er ſich unter mancherley Thiere
gerettet hatte, und wo ſeine Habſeligkeiten, be-
ſonders aber die eß- und trinkbaren Sachen
ihm gefolgt waren. Da er etwas Deutſch
konnte, ſo erfuhr ich von ihm, daß ein Kom-
mando Preußen, nebſt deſſen Anfuͤhrer, fuͤr
dieſe Nacht Platz bey ihm genommen und ihn
in dieſen Stall verwieſen habe. Jch nahm
bey ihm auf ſeinem Bette Platz, und wurde
ſogleich durch einen Schrey benachrichtigt, daß
ſich noch ein drittes menſchliches Weſen in un-
ſrer Geſellſchaft befaͤnde, von dem ich ver-
muthlich gar nichts erfahren haͤtte, wenn ihm
meine Laſt nicht etwas zu ſchwer geworden
waͤre. Es zeigte ſich ein huͤbſcher Knabe
von drey oder vier Jahren, der ſich allmaͤhlig
aus den Betten hervor arbeitete; und es fand
ſich, daß es der Sohn des faſt ſiebzigjaͤhrigen
Poſtmeiſters war. Auf die ſehr natuͤrliche Fra
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/216>, abgerufen am 02.05.2024.
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