Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Gemeinen, zwischen bretternen Verschlägen, in
den beyden alten und in der neuen Kirche, die
gefährlicher zu betreten ist, als die beyden
alten.

Daß aber in Rawa, trotz diesen verfal-
lenen Kirchengebäuden, die christliche Kirche
selbst in voller Kraft noch blühe, zeigt die Ge-
schichte der unglücklichen verrückten Frau, die, wenn
ich nicht irre, in einem Anfalle von Wahnsinn,
eine Hostie zertrat, und dafür, mit ihrer gan-
zen Familie, zum Verbrennen verurtheilt wur-
de. Diese Begebenheit trug sich fast um eben
die Zeit zu, wo die neue Konstitution bey dem
letzten Reichstage durchgesetzt wurde. Da die
Vollstreckung jenes eifrigen Urtheils sehr schlecht
zu den Grundsätzen jener Verfassung gepaßt
haben würde, so legte sich der König ins Mit-
tel, und die Frau ward von einem schreckli-
chen Tode gerettet.

Von Rawa aus bis Lubochin (31/2 M.)
führt der Weg anhaltend durch Wald und ge-
währt nicht die mindeste Abwechslung. Vier-

Gemeinen, zwiſchen bretternen Verſchlaͤgen, in
den beyden alten und in der neuen Kirche, die
gefaͤhrlicher zu betreten iſt, als die beyden
alten.

Daß aber in Rawa, trotz dieſen verfal-
lenen Kirchengebaͤuden, die chriſtliche Kirche
ſelbſt in voller Kraft noch bluͤhe, zeigt die Ge-
ſchichte der ungluͤcklichen verruͤckten Frau, die, wenn
ich nicht irre, in einem Anfalle von Wahnſinn,
eine Hoſtie zertrat, und dafuͤr, mit ihrer gan-
zen Familie, zum Verbrennen verurtheilt wur-
de. Dieſe Begebenheit trug ſich faſt um eben
die Zeit zu, wo die neue Konſtitution bey dem
letzten Reichstage durchgeſetzt wurde. Da die
Vollſtreckung jenes eifrigen Urtheils ſehr ſchlecht
zu den Grundſaͤtzen jener Verfaſſung gepaßt
haben wuͤrde, ſo legte ſich der Koͤnig ins Mit-
tel, und die Frau ward von einem ſchreckli-
chen Tode gerettet.

Von Rawa aus bis Lubochin (3½ M.)
fuͤhrt der Weg anhaltend durch Wald und ge-
waͤhrt nicht die mindeſte Abwechslung. Vier-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0209" n="199"/>
Gemeinen, zwi&#x017F;chen bretternen Ver&#x017F;chla&#x0364;gen, in<lb/>
den beyden alten und in der neuen Kirche, die<lb/>
gefa&#x0364;hrlicher zu betreten i&#x017F;t, als die beyden<lb/>
alten.</p><lb/>
        <p>Daß aber in <hi rendition="#g">Rawa</hi>, trotz die&#x017F;en verfal-<lb/>
lenen Kirchengeba&#x0364;uden, die chri&#x017F;tliche Kirche<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in voller Kraft noch blu&#x0364;he, zeigt die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte der unglu&#x0364;cklichen verru&#x0364;ckten Frau, die, wenn<lb/>
ich nicht irre, in einem Anfalle von Wahn&#x017F;inn,<lb/>
eine Ho&#x017F;tie zertrat, und dafu&#x0364;r, mit ihrer gan-<lb/>
zen Familie, zum Verbrennen verurtheilt wur-<lb/>
de. Die&#x017F;e Begebenheit trug &#x017F;ich fa&#x017F;t um eben<lb/>
die Zeit zu, wo die neue Kon&#x017F;titution bey dem<lb/>
letzten Reichstage durchge&#x017F;etzt wurde. Da die<lb/>
Voll&#x017F;treckung jenes eifrigen Urtheils &#x017F;ehr &#x017F;chlecht<lb/>
zu den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen jener Verfa&#x017F;&#x017F;ung gepaßt<lb/>
haben wu&#x0364;rde, &#x017F;o legte &#x017F;ich der Ko&#x0364;nig ins Mit-<lb/>
tel, und die Frau ward von einem &#x017F;chreckli-<lb/>
chen Tode gerettet.</p><lb/>
        <p>Von <hi rendition="#g">Rawa</hi> aus bis <hi rendition="#g">Lubochin</hi> (3½ M.)<lb/>
fu&#x0364;hrt der Weg anhaltend durch Wald und ge-<lb/>
wa&#x0364;hrt nicht die minde&#x017F;te Abwechslung. Vier-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0209] Gemeinen, zwiſchen bretternen Verſchlaͤgen, in den beyden alten und in der neuen Kirche, die gefaͤhrlicher zu betreten iſt, als die beyden alten. Daß aber in Rawa, trotz dieſen verfal- lenen Kirchengebaͤuden, die chriſtliche Kirche ſelbſt in voller Kraft noch bluͤhe, zeigt die Ge- ſchichte der ungluͤcklichen verruͤckten Frau, die, wenn ich nicht irre, in einem Anfalle von Wahnſinn, eine Hoſtie zertrat, und dafuͤr, mit ihrer gan- zen Familie, zum Verbrennen verurtheilt wur- de. Dieſe Begebenheit trug ſich faſt um eben die Zeit zu, wo die neue Konſtitution bey dem letzten Reichstage durchgeſetzt wurde. Da die Vollſtreckung jenes eifrigen Urtheils ſehr ſchlecht zu den Grundſaͤtzen jener Verfaſſung gepaßt haben wuͤrde, ſo legte ſich der Koͤnig ins Mit- tel, und die Frau ward von einem ſchreckli- chen Tode gerettet. Von Rawa aus bis Lubochin (3½ M.) fuͤhrt der Weg anhaltend durch Wald und ge- waͤhrt nicht die mindeſte Abwechslung. Vier-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/209
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/209>, abgerufen am 03.05.2024.