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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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tey. Die erste Gattung meynte es allerdings
aufrichtiger mit ihm und er benutzte sie auch
besser. Er gab ihnen Stoff zu ihren Reden
am Reichstage, machte ihnen den Plan dazu,
arbeitete sie oft ganz aus. Jene übersetzten sie
ins Polnische, und lasen sie als ihr Eigen-
thum in den Sitzungen vor.

Bey den Feinden, die Piatoli um den Kö-
nig hatte, war es nöthig, daß er sich auch in
Absicht seines moralischen Charakters bey ihm
in Achtung zu setzen suchte. Er nahm nie etwas
für Dienste, die man von ihm verlangte, oder
die er geleistet hatte, ganz gegen alle sonstige
polnische Sitte; er unterzog sich aber auch
keinem Auftrage, der gegen seine bekannten
Grundsätze stritt. Und doch war er mehr arm
als reich, denn der König gab ihm monatlich
nur zwanzig Dukaten, eine Summe, mit der
man in Warschau mehr als haushälterisch le-
ben muß, um auszukommen. Jgnatz Potocki
machte seinen Einfluß auch nie zu Gelde, wie
sonst die Besitzer hoher Stellen in Polen; aber

tey. Die erſte Gattung meynte es allerdings
aufrichtiger mit ihm und er benutzte ſie auch
beſſer. Er gab ihnen Stoff zu ihren Reden
am Reichstage, machte ihnen den Plan dazu,
arbeitete ſie oft ganz aus. Jene uͤberſetzten ſie
ins Polniſche, und laſen ſie als ihr Eigen-
thum in den Sitzungen vor.

Bey den Feinden, die Piatoli um den Koͤ-
nig hatte, war es noͤthig, daß er ſich auch in
Abſicht ſeines moraliſchen Charakters bey ihm
in Achtung zu ſetzen ſuchte. Er nahm nie etwas
fuͤr Dienſte, die man von ihm verlangte, oder
die er geleiſtet hatte, ganz gegen alle ſonſtige
polniſche Sitte; er unterzog ſich aber auch
keinem Auftrage, der gegen ſeine bekannten
Grundſaͤtze ſtritt. Und doch war er mehr arm
als reich, denn der Koͤnig gab ihm monatlich
nur zwanzig Dukaten, eine Summe, mit der
man in Warſchau mehr als haushaͤlteriſch le-
ben muß, um auszukommen. Jgnatz Potocki
machte ſeinen Einfluß auch nie zu Gelde, wie
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[172/0182] tey. Die erſte Gattung meynte es allerdings aufrichtiger mit ihm und er benutzte ſie auch beſſer. Er gab ihnen Stoff zu ihren Reden am Reichstage, machte ihnen den Plan dazu, arbeitete ſie oft ganz aus. Jene uͤberſetzten ſie ins Polniſche, und laſen ſie als ihr Eigen- thum in den Sitzungen vor. Bey den Feinden, die Piatoli um den Koͤ- nig hatte, war es noͤthig, daß er ſich auch in Abſicht ſeines moraliſchen Charakters bey ihm in Achtung zu ſetzen ſuchte. Er nahm nie etwas fuͤr Dienſte, die man von ihm verlangte, oder die er geleiſtet hatte, ganz gegen alle ſonſtige polniſche Sitte; er unterzog ſich aber auch keinem Auftrage, der gegen ſeine bekannten Grundſaͤtze ſtritt. Und doch war er mehr arm als reich, denn der Koͤnig gab ihm monatlich nur zwanzig Dukaten, eine Summe, mit der man in Warſchau mehr als haushaͤlteriſch le- ben muß, um auszukommen. Jgnatz Potocki machte ſeinen Einfluß auch nie zu Gelde, wie ſonſt die Beſitzer hoher Stellen in Polen; aber

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/182>, abgerufen am 21.11.2024.