Stimme ist überaus rein, zart und biegsam im Gespräche; verliert aber, wenn er sie mit Anstrengung öffentlich brauchen muß.
Von Person gehört er zu den männlichen Mittelfiguren, ist ohne Tadel gewachsen und neigt zur Wohlbeleibtheit. Schenkel und Fuß sind überaus fein. Er hat die schönste und zarteste Manushand, die ich je gesehen habe. Er trägt sich noch jugendlich aufrecht, und ich habe an ihm keine von den Linkheiten im An- stande und Gange bemerkt, die man sonst häu- fig an Fürsten sieht, deren sklavische Unter- und Oberhofmeister ihnen, als Prinzen, nicht bemerkbar zu machen wagten, daß sie einmal, als regierende Fürsten, auch durch ein Aeuße- res, das nicht lächerlich auffällt, ihrem Volke Ehrfurcht einprägen müssen.
Stanislaus trägt sich französisch seit frühen Jahren. Am Konvokations-Reichstage im Jahre 1764 benutzten seine Gegner diesen Um- stand, um die Frage auf die Bahn zu brin- gen, wie sich der künftige König tra-
Stimme iſt uͤberaus rein, zart und biegſam im Geſpraͤche; verliert aber, wenn er ſie mit Anſtrengung oͤffentlich brauchen muß.
Von Perſon gehoͤrt er zu den maͤnnlichen Mittelfiguren, iſt ohne Tadel gewachſen und neigt zur Wohlbeleibtheit. Schenkel und Fuß ſind uͤberaus fein. Er hat die ſchoͤnſte und zarteſte Manushand, die ich je geſehen habe. Er traͤgt ſich noch jugendlich aufrecht, und ich habe an ihm keine von den Linkheiten im An- ſtande und Gange bemerkt, die man ſonſt haͤu- fig an Fuͤrſten ſieht, deren ſklaviſche Unter- und Oberhofmeiſter ihnen, als Prinzen, nicht bemerkbar zu machen wagten, daß ſie einmal, als regierende Fuͤrſten, auch durch ein Aeuße- res, das nicht laͤcherlich auffaͤllt, ihrem Volke Ehrfurcht einpraͤgen muͤſſen.
Stanislaus traͤgt ſich franzoͤſiſch ſeit fruͤhen Jahren. Am Konvokations-Reichstage im Jahre 1764 benutzten ſeine Gegner dieſen Um- ſtand, um die Frage auf die Bahn zu brin- gen, wie ſich der kuͤnftige Koͤnig tra-
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Stimme iſt uͤberaus rein, zart und biegſam
im Geſpraͤche; verliert aber, wenn er ſie mit
Anſtrengung oͤffentlich brauchen muß.
Von Perſon gehoͤrt er zu den maͤnnlichen
Mittelfiguren, iſt ohne Tadel gewachſen und
neigt zur Wohlbeleibtheit. Schenkel und Fuß
ſind uͤberaus fein. Er hat die ſchoͤnſte und
zarteſte Manushand, die ich je geſehen habe.
Er traͤgt ſich noch jugendlich aufrecht, und ich
habe an ihm keine von den Linkheiten im An-
ſtande und Gange bemerkt, die man ſonſt haͤu-
fig an Fuͤrſten ſieht, deren ſklaviſche Unter-
und Oberhofmeiſter ihnen, als Prinzen, nicht
bemerkbar zu machen wagten, daß ſie einmal,
als regierende Fuͤrſten, auch durch ein Aeuße-
res, das nicht laͤcherlich auffaͤllt, ihrem Volke
Ehrfurcht einpraͤgen muͤſſen.
Stanislaus traͤgt ſich franzoͤſiſch ſeit fruͤhen
Jahren. Am Konvokations-Reichstage im
Jahre 1764 benutzten ſeine Gegner dieſen Um-
ſtand, um die Frage auf die Bahn zu brin-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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