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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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Diese dornigte Lage, worin er sich von au-
ßenher befand, ward durch die Ansprüche der
Familie Czartoryski auf seine Dankbarkeit und
Folgsamkeit; durch die Forderungen desjeni-
gen Theils der Nation, der ihn zum Könige
gewählt hatte; und durch die Widersprüche
desjenigen, der ihm die Krone streitig machte,
und, wegen der Dazwischenkunft der russischen
Truppen, seine Wahl für gezwungen erklärte,
auf den höchsten Grad von Verwickelung ge-
trieben.

Der Großkanzler Czartoryski, der, nach
Stanislaus Thronbesteigung, immer noch an
der Spitze der Geschäfte stand und sich in sei-
nem Einflusse erst recht fest gesetzt hatte, nahm
an, daß der neue König thun müsse, was er
für gut fände. Einwendungen von seiner Sei-
te beantwortete er mit Härte und Stolz, Vor-
schläge unterstützte er nur in so fern, als sie
mit seinen eigenen Planen übereinstimmten;
und doch mußte der König ihn schonen, weil
Rußland das unbedingteste Vertrauen auf seine
Ergebenheit und Talente setzte.

Dieſe dornigte Lage, worin er ſich von au-
ßenher befand, ward durch die Anſpruͤche der
Familie Czartoryski auf ſeine Dankbarkeit und
Folgſamkeit; durch die Forderungen desjeni-
gen Theils der Nation, der ihn zum Koͤnige
gewaͤhlt hatte; und durch die Widerſpruͤche
desjenigen, der ihm die Krone ſtreitig machte,
und, wegen der Dazwiſchenkunft der ruſſiſchen
Truppen, ſeine Wahl fuͤr gezwungen erklaͤrte,
auf den hoͤchſten Grad von Verwickelung ge-
trieben.

Der Großkanzler Czartoryski, der, nach
Stanislaus Thronbeſteigung, immer noch an
der Spitze der Geſchaͤfte ſtand und ſich in ſei-
nem Einfluſſe erſt recht feſt geſetzt hatte, nahm
an, daß der neue Koͤnig thun muͤſſe, was er
fuͤr gut faͤnde. Einwendungen von ſeiner Sei-
te beantwortete er mit Haͤrte und Stolz, Vor-
ſchlaͤge unterſtuͤtzte er nur in ſo fern, als ſie
mit ſeinen eigenen Planen uͤbereinſtimmten;
und doch mußte der Koͤnig ihn ſchonen, weil
Rußland das unbedingteſte Vertrauen auf ſeine
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[133/0143] Dieſe dornigte Lage, worin er ſich von au- ßenher befand, ward durch die Anſpruͤche der Familie Czartoryski auf ſeine Dankbarkeit und Folgſamkeit; durch die Forderungen desjeni- gen Theils der Nation, der ihn zum Koͤnige gewaͤhlt hatte; und durch die Widerſpruͤche desjenigen, der ihm die Krone ſtreitig machte, und, wegen der Dazwiſchenkunft der ruſſiſchen Truppen, ſeine Wahl fuͤr gezwungen erklaͤrte, auf den hoͤchſten Grad von Verwickelung ge- trieben. Der Großkanzler Czartoryski, der, nach Stanislaus Thronbeſteigung, immer noch an der Spitze der Geſchaͤfte ſtand und ſich in ſei- nem Einfluſſe erſt recht feſt geſetzt hatte, nahm an, daß der neue Koͤnig thun muͤſſe, was er fuͤr gut faͤnde. Einwendungen von ſeiner Sei- te beantwortete er mit Haͤrte und Stolz, Vor- ſchlaͤge unterſtuͤtzte er nur in ſo fern, als ſie mit ſeinen eigenen Planen uͤbereinſtimmten; und doch mußte der Koͤnig ihn ſchonen, weil Rußland das unbedingteſte Vertrauen auf ſeine Ergebenheit und Talente ſetzte.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/143>, abgerufen am 21.11.2024.