Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

der Schenktisch krachte unter den Flaschen. Der
Wirth und ein paar Andre, die um den Plan
wußten, feuerten die natürliche Eß und Trink-
lust der Gäste, besonders derer, denen es ei-
gentlich galt, übermäßig an. Der wilde
Schmaus dauerte bis den andern Morgen um
vier Uhr. Man fuhr nach Hause, in einem
Zustande, der nicht sehr erlaubte, an das Va-
terland zu denken. Die Hauptpersonen beson-
ders hatten die Starosteyen und die nächste
Reichstagssitzung völlig vergessen, für die man
überdieß, mit löblicher Vorsicht, den Tag vor-
her einen ganz andern Gegenstand angekündigt
hatte. Wer von den Austernessern nicht krank
war, der war betäubt oder schläfrig; keiner er-
schien in der Sitzung. Diese nahm ihren An-
fang; die Patrioten waren ihrer Sache ge-
wiß; der Reichstagsmarschall entschuldigte sich,
daß der Entwurf, den er gestern angekündigt
habe, nicht fertig geworden; brachte dafür den
Starosteyentwurf auf die Bahn; die Mehr-
heit der Stimmen war für ihn; er ward in

der Schenktiſch krachte unter den Flaſchen. Der
Wirth und ein paar Andre, die um den Plan
wußten, feuerten die natuͤrliche Eß und Trink-
luſt der Gaͤſte, beſonders derer, denen es ei-
gentlich galt, uͤbermaͤßig an. Der wilde
Schmaus dauerte bis den andern Morgen um
vier Uhr. Man fuhr nach Hauſe, in einem
Zuſtande, der nicht ſehr erlaubte, an das Va-
terland zu denken. Die Hauptperſonen beſon-
ders hatten die Staroſteyen und die naͤchſte
Reichstagsſitzung voͤllig vergeſſen, fuͤr die man
uͤberdieß, mit loͤblicher Vorſicht, den Tag vor-
her einen ganz andern Gegenſtand angekuͤndigt
hatte. Wer von den Auſterneſſern nicht krank
war, der war betaͤubt oder ſchlaͤfrig; keiner er-
ſchien in der Sitzung. Dieſe nahm ihren An-
fang; die Patrioten waren ihrer Sache ge-
wiß; der Reichstagsmarſchall entſchuldigte ſich,
daß der Entwurf, den er geſtern angekuͤndigt
habe, nicht fertig geworden; brachte dafuͤr den
Staroſteyentwurf auf die Bahn; die Mehr-
heit der Stimmen war fuͤr ihn; er ward in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="166"/>
der Schenkti&#x017F;ch krachte unter den Fla&#x017F;chen. Der<lb/>
Wirth und ein paar Andre, die um den Plan<lb/>
wußten, feuerten die natu&#x0364;rliche Eß und Trink-<lb/>
lu&#x017F;t der Ga&#x0364;&#x017F;te, be&#x017F;onders derer, denen es ei-<lb/>
gentlich galt, u&#x0364;berma&#x0364;ßig an. Der wilde<lb/>
Schmaus dauerte bis den andern Morgen um<lb/>
vier Uhr. Man fuhr nach Hau&#x017F;e, in einem<lb/>
Zu&#x017F;tande, der nicht &#x017F;ehr erlaubte, an das Va-<lb/>
terland zu denken. Die Hauptper&#x017F;onen be&#x017F;on-<lb/>
ders hatten die Staro&#x017F;teyen und die na&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Reichstags&#x017F;itzung vo&#x0364;llig verge&#x017F;&#x017F;en, fu&#x0364;r die man<lb/>
u&#x0364;berdieß, mit lo&#x0364;blicher Vor&#x017F;icht, den Tag vor-<lb/>
her einen ganz andern Gegen&#x017F;tand angeku&#x0364;ndigt<lb/>
hatte. Wer von den Au&#x017F;terne&#x017F;&#x017F;ern nicht krank<lb/>
war, der war beta&#x0364;ubt oder &#x017F;chla&#x0364;frig; keiner er-<lb/>
&#x017F;chien in der Sitzung. Die&#x017F;e nahm ihren An-<lb/>
fang; die Patrioten waren ihrer Sache ge-<lb/>
wiß; der Reichstagsmar&#x017F;chall ent&#x017F;chuldigte &#x017F;ich,<lb/>
daß der Entwurf, den er ge&#x017F;tern angeku&#x0364;ndigt<lb/>
habe, nicht fertig geworden; brachte dafu&#x0364;r den<lb/>
Staro&#x017F;teyentwurf auf die Bahn; die Mehr-<lb/>
heit der Stimmen war fu&#x0364;r ihn; er ward in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0176] der Schenktiſch krachte unter den Flaſchen. Der Wirth und ein paar Andre, die um den Plan wußten, feuerten die natuͤrliche Eß und Trink- luſt der Gaͤſte, beſonders derer, denen es ei- gentlich galt, uͤbermaͤßig an. Der wilde Schmaus dauerte bis den andern Morgen um vier Uhr. Man fuhr nach Hauſe, in einem Zuſtande, der nicht ſehr erlaubte, an das Va- terland zu denken. Die Hauptperſonen beſon- ders hatten die Staroſteyen und die naͤchſte Reichstagsſitzung voͤllig vergeſſen, fuͤr die man uͤberdieß, mit loͤblicher Vorſicht, den Tag vor- her einen ganz andern Gegenſtand angekuͤndigt hatte. Wer von den Auſterneſſern nicht krank war, der war betaͤubt oder ſchlaͤfrig; keiner er- ſchien in der Sitzung. Dieſe nahm ihren An- fang; die Patrioten waren ihrer Sache ge- wiß; der Reichstagsmarſchall entſchuldigte ſich, daß der Entwurf, den er geſtern angekuͤndigt habe, nicht fertig geworden; brachte dafuͤr den Staroſteyentwurf auf die Bahn; die Mehr- heit der Stimmen war fuͤr ihn; er ward in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/176
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/176>, abgerufen am 06.05.2024.