keiten starrend, in dem geschmackvollesten An- zuge, am Abend des Neujahrstages, in seinem großen Saale. Er pflegte in der Mitte des reizvollesten, glänzendsten Cirkels, nicht als ein geliebter König, nein, als weit mehr -- als der angebetete Liebhaber von hundert der schön- sten Weiber zu erscheinen, die sich selbst schö- ner dünkten, als sonst, indem sie ihm zu ge- fallen strebten! Welch ein trauriger Abstich am Neujahrstage 1792! Man wartete und wartete, keine der bekannten schönen Weiber erschien! Und als endlich die Flügelthüren aufgingen, trat niemand herein, als Eine fremde Fürstin, die allerdings eine Menge anderer zu überstrahlen und zu ersetzen gemacht war -- niemand, als die regierende Herzogin von Kur- land, in Begleitung der Schwester des Königs und zwey oder drey anderer Damen! Es kam nun heraus, daß die übrige schöne Welt eine ungeheure Verschwörung gegen den König ge- macht hatte, nicht vor ihm zu erscheinen, weil er -- wie man ihn unverholen wissen ließ --
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keiten ſtarrend, in dem geſchmackvolleſten An- zuge, am Abend des Neujahrstages, in ſeinem großen Saale. Er pflegte in der Mitte des reizvolleſten, glaͤnzendſten Cirkels, nicht als ein geliebter Koͤnig, nein, als weit mehr — als der angebetete Liebhaber von hundert der ſchoͤn- ſten Weiber zu erſcheinen, die ſich ſelbſt ſchoͤ- ner duͤnkten, als ſonſt, indem ſie ihm zu ge- fallen ſtrebten! Welch ein trauriger Abſtich am Neujahrstage 1792! Man wartete und wartete, keine der bekannten ſchoͤnen Weiber erſchien! Und als endlich die Fluͤgelthuͤren aufgingen, trat niemand herein, als Eine fremde Fuͤrſtin, die allerdings eine Menge anderer zu uͤberſtrahlen und zu erſetzen gemacht war — niemand, als die regierende Herzogin von Kur- land, in Begleitung der Schweſter des Koͤnigs und zwey oder drey anderer Damen! Es kam nun heraus, daß die uͤbrige ſchoͤne Welt eine ungeheure Verſchwoͤrung gegen den Koͤnig ge- macht hatte, nicht vor ihm zu erſcheinen, weil er — wie man ihn unverholen wiſſen ließ —
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keiten ſtarrend, in dem geſchmackvolleſten An-
zuge, am Abend des Neujahrstages, in ſeinem
großen Saale. Er pflegte in der Mitte des
reizvolleſten, glaͤnzendſten Cirkels, nicht als ein
geliebter Koͤnig, nein, als weit mehr — als
der angebetete Liebhaber von hundert der ſchoͤn-
ſten Weiber zu erſcheinen, die ſich ſelbſt ſchoͤ-
ner duͤnkten, als ſonſt, indem ſie ihm zu ge-
fallen ſtrebten! Welch ein trauriger Abſtich
am Neujahrstage 1792! Man wartete und
wartete, keine der bekannten ſchoͤnen Weiber
erſchien! Und als endlich die Fluͤgelthuͤren
aufgingen, trat niemand herein, als Eine fremde
Fuͤrſtin, die allerdings eine Menge anderer zu
uͤberſtrahlen und zu erſetzen gemacht war —
niemand, als die regierende Herzogin von Kur-
land, in Begleitung der Schweſter des Koͤnigs
und zwey oder drey anderer Damen! Es kam
nun heraus, daß die uͤbrige ſchoͤne Welt eine
ungeheure Verſchwoͤrung gegen den Koͤnig ge-
macht hatte, nicht vor ihm zu erſcheinen, weil
er — wie man ihn unverholen wiſſen ließ —
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/173>, abgerufen am 28.07.2024.
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