muß; keiner erfüllt die Pflichten derselben um- sonst, weil kein anderer ihm noch die Pflich- ten der seinigen umsonst geleistet hat. Ver- möge dieses verderblichen Grundsatzes, der sich in Polen so häufig mit Ehrsucht, Rache, Geitz und Neid verbindet, schont man selbst seines Vaterlandes und seiner eigenen Familie nicht, wenn man gewisse Absichten erreichen will. Er ist es besonders, durch den die be- nachbarten Mächte sich von jeher so viele und mächtige Anhänger in Polen verschafften. Die- jenige unter ihnen, die den einzelnen Großen die stärksten Jahrgelder gab, oder ihnen durch ihren Einfluß die höchsten Stellen, die besten Starosteyen verschafte, war immer die stärkste in Polen, besonders wenn sie zur rechten Zeit auch durch Schrecken zu wirken wußte. Solche Jahrgelder, oder andre Wohlthaten, pflanzten sich von einem Haupte der Familie auf das andere fort, und daher hatte man ganze Ver- wandtschaften, die seit einer Reihe von Jah- ren Russisch, Preußisch, Kaiserlich, und ehe-
muß; keiner erfuͤllt die Pflichten derſelben um- ſonſt, weil kein anderer ihm noch die Pflich- ten der ſeinigen umſonſt geleiſtet hat. Ver- moͤge dieſes verderblichen Grundſatzes, der ſich in Polen ſo haͤufig mit Ehrſucht, Rache, Geitz und Neid verbindet, ſchont man ſelbſt ſeines Vaterlandes und ſeiner eigenen Familie nicht, wenn man gewiſſe Abſichten erreichen will. Er iſt es beſonders, durch den die be- nachbarten Maͤchte ſich von jeher ſo viele und maͤchtige Anhaͤnger in Polen verſchafften. Die- jenige unter ihnen, die den einzelnen Großen die ſtaͤrkſten Jahrgelder gab, oder ihnen durch ihren Einfluß die hoͤchſten Stellen, die beſten Staroſteyen verſchafte, war immer die ſtaͤrkſte in Polen, beſonders wenn ſie zur rechten Zeit auch durch Schrecken zu wirken wußte. Solche Jahrgelder, oder andre Wohlthaten, pflanzten ſich von einem Haupte der Familie auf das andere fort, und daher hatte man ganze Ver- wandtſchaften, die ſeit einer Reihe von Jah- ren Ruſſiſch, Preußiſch, Kaiſerlich, und ehe-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0124"n="114"/>
muß; keiner erfuͤllt die Pflichten derſelben um-<lb/>ſonſt, weil kein anderer ihm noch die Pflich-<lb/>
ten der ſeinigen umſonſt geleiſtet hat. Ver-<lb/>
moͤge dieſes verderblichen Grundſatzes, der ſich<lb/>
in Polen ſo haͤufig mit Ehrſucht, Rache,<lb/>
Geitz und Neid verbindet, ſchont man ſelbſt<lb/>ſeines Vaterlandes und ſeiner eigenen Familie<lb/>
nicht, wenn man gewiſſe Abſichten erreichen<lb/>
will. Er iſt es beſonders, durch den die be-<lb/>
nachbarten Maͤchte ſich von jeher ſo viele und<lb/>
maͤchtige Anhaͤnger in Polen verſchafften. Die-<lb/>
jenige unter ihnen, die den einzelnen Großen<lb/>
die ſtaͤrkſten Jahrgelder gab, oder ihnen durch<lb/>
ihren Einfluß die hoͤchſten Stellen, die beſten<lb/>
Staroſteyen verſchafte, war immer die ſtaͤrkſte<lb/>
in Polen, beſonders wenn ſie zur rechten Zeit<lb/>
auch durch Schrecken zu wirken wußte. Solche<lb/>
Jahrgelder, oder andre Wohlthaten, pflanzten<lb/>ſich von einem Haupte der Familie auf das<lb/>
andere fort, und daher hatte man ganze Ver-<lb/>
wandtſchaften, die ſeit einer Reihe von Jah-<lb/>
ren Ruſſiſch, Preußiſch, Kaiſerlich, und ehe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[114/0124]
muß; keiner erfuͤllt die Pflichten derſelben um-
ſonſt, weil kein anderer ihm noch die Pflich-
ten der ſeinigen umſonſt geleiſtet hat. Ver-
moͤge dieſes verderblichen Grundſatzes, der ſich
in Polen ſo haͤufig mit Ehrſucht, Rache,
Geitz und Neid verbindet, ſchont man ſelbſt
ſeines Vaterlandes und ſeiner eigenen Familie
nicht, wenn man gewiſſe Abſichten erreichen
will. Er iſt es beſonders, durch den die be-
nachbarten Maͤchte ſich von jeher ſo viele und
maͤchtige Anhaͤnger in Polen verſchafften. Die-
jenige unter ihnen, die den einzelnen Großen
die ſtaͤrkſten Jahrgelder gab, oder ihnen durch
ihren Einfluß die hoͤchſten Stellen, die beſten
Staroſteyen verſchafte, war immer die ſtaͤrkſte
in Polen, beſonders wenn ſie zur rechten Zeit
auch durch Schrecken zu wirken wußte. Solche
Jahrgelder, oder andre Wohlthaten, pflanzten
ſich von einem Haupte der Familie auf das
andere fort, und daher hatte man ganze Ver-
wandtſchaften, die ſeit einer Reihe von Jah-
ren Ruſſiſch, Preußiſch, Kaiſerlich, und ehe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/124>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.