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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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nirgend so sehr Hirngespinnst, als in Polen,
wo die ganze Verfassung, und die ganze Reihe
von Gesetzen, aus denen sie hervorgeht, auf
beiden gebauet ist; und es giebt schwerlich ein
zweites Land, wo man, in wichtigen und un-
wichtigen Dingen, so begierig nach Unter-
scheidungszeichen wäre und wo man, mit so
fruchtbarer Erfindungskraft, die Anzahl der-
selben so vermehrt hätte. Vergebens schmei-
chelt man sich damit, daß es nur äußerer,
gleichgültiger Prunk sey, und daß weder
Ehrenstellen noch Ordensbänder den Werth
des Edelmannes erhöhen, noch denselben, wenn
er ihrer ermangelt, herabsetzen könnten. Man
sieht alle Tage, daß der Titel eines Woiwo-
den oder eines Kastellans, und der Anblick
eines blauen und rothen Bandes, Thüren
schnell öffnen, die vor dem Edelmann, der
nichts von dem allen ist und hat, verschlossen
bleiben, und daß betitelte und bebänderte Brü-
der über andern, die es nicht sind, in Be-
werbungen um Würden und Aemter, wie in

nirgend ſo ſehr Hirngeſpinnſt, als in Polen,
wo die ganze Verfaſſung, und die ganze Reihe
von Geſetzen, aus denen ſie hervorgeht, auf
beiden gebauet iſt; und es giebt ſchwerlich ein
zweites Land, wo man, in wichtigen und un-
wichtigen Dingen, ſo begierig nach Unter-
ſcheidungszeichen waͤre und wo man, mit ſo
fruchtbarer Erfindungskraft, die Anzahl der-
ſelben ſo vermehrt haͤtte. Vergebens ſchmei-
chelt man ſich damit, daß es nur aͤußerer,
gleichguͤltiger Prunk ſey, und daß weder
Ehrenſtellen noch Ordensbaͤnder den Werth
des Edelmannes erhoͤhen, noch denſelben, wenn
er ihrer ermangelt, herabſetzen koͤnnten. Man
ſieht alle Tage, daß der Titel eines Woiwo-
den oder eines Kaſtellans, und der Anblick
eines blauen und rothen Bandes, Thuͤren
ſchnell oͤffnen, die vor dem Edelmann, der
nichts von dem allen iſt und hat, verſchloſſen
bleiben, und daß betitelte und bebaͤnderte Bruͤ-
der uͤber andern, die es nicht ſind, in Be-
werbungen um Wuͤrden und Aemter, wie in

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[88/0098] nirgend ſo ſehr Hirngeſpinnſt, als in Polen, wo die ganze Verfaſſung, und die ganze Reihe von Geſetzen, aus denen ſie hervorgeht, auf beiden gebauet iſt; und es giebt ſchwerlich ein zweites Land, wo man, in wichtigen und un- wichtigen Dingen, ſo begierig nach Unter- ſcheidungszeichen waͤre und wo man, mit ſo fruchtbarer Erfindungskraft, die Anzahl der- ſelben ſo vermehrt haͤtte. Vergebens ſchmei- chelt man ſich damit, daß es nur aͤußerer, gleichguͤltiger Prunk ſey, und daß weder Ehrenſtellen noch Ordensbaͤnder den Werth des Edelmannes erhoͤhen, noch denſelben, wenn er ihrer ermangelt, herabſetzen koͤnnten. Man ſieht alle Tage, daß der Titel eines Woiwo- den oder eines Kaſtellans, und der Anblick eines blauen und rothen Bandes, Thuͤren ſchnell oͤffnen, die vor dem Edelmann, der nichts von dem allen iſt und hat, verſchloſſen bleiben, und daß betitelte und bebaͤnderte Bruͤ- der uͤber andern, die es nicht ſind, in Be- werbungen um Wuͤrden und Aemter, wie in

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/98>, abgerufen am 24.11.2024.