Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

laufendes vom Reichstage beschlossen werden
könnte. Man nennt dies gefährliche Vorrecht
die freie Stimme, das Widerspruchs-
recht
, das liberum veto.

Die Landboten sollen zwar im Namen
ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber sie han-
deln doch oft nach eigenem Willen. Bald
halten sie die Berathschlagungen auf, bald
treiben sie dieselben, bald mischen sie, bei un-
erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein;
bald sind die Boten Einer Woiwodschaft, Eines
Bezirks unter einander selbst nicht einstimmig;
bald wirkt auf den einen Privatinteresse, bald
auf den andern Drohung oder Bestechung --
und so kann man mit Recht sagen, daß sie
nicht nach ihren Aufträgen, sondern nach eige-
nem Willen die Geschäfte betreiben.

Der Würden und Aemter, die ausschlies-
send aus dem Ritterstande besetzt werden,
sind weit mehr als derer, die der Senatoren-
stand besetzt. Man kann sie füglich in drei
Arten abtheilen, in solche, die von Kron-

laufendes vom Reichstage beſchloſſen werden
koͤnnte. Man nennt dies gefaͤhrliche Vorrecht
die freie Stimme, das Widerſpruchs-
recht
, das liberum veto.

Die Landboten ſollen zwar im Namen
ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber ſie han-
deln doch oft nach eigenem Willen. Bald
halten ſie die Berathſchlagungen auf, bald
treiben ſie dieſelben, bald miſchen ſie, bei un-
erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein;
bald ſind die Boten Einer Woiwodſchaft, Eines
Bezirks unter einander ſelbſt nicht einſtimmig;
bald wirkt auf den einen Privatintereſſe, bald
auf den andern Drohung oder Beſtechung —
und ſo kann man mit Recht ſagen, daß ſie
nicht nach ihren Auftraͤgen, ſondern nach eige-
nem Willen die Geſchaͤfte betreiben.

Der Wuͤrden und Aemter, die ausſchlieſ-
ſend aus dem Ritterſtande beſetzt werden,
ſind weit mehr als derer, die der Senatoren-
ſtand beſetzt. Man kann ſie fuͤglich in drei
Arten abtheilen, in ſolche, die von Kron-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="68"/>
laufendes vom Reichstage be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden<lb/>
ko&#x0364;nnte. Man nennt dies gefa&#x0364;hrliche Vorrecht<lb/>
die <hi rendition="#g">freie Stimme</hi>, das <hi rendition="#g">Wider&#x017F;pruchs-<lb/>
recht</hi>, das <hi rendition="#aq">liberum veto</hi>.</p><lb/>
        <p>Die Landboten &#x017F;ollen zwar im Namen<lb/>
ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber &#x017F;ie han-<lb/>
deln doch oft nach eigenem Willen. Bald<lb/>
halten &#x017F;ie die Berath&#x017F;chlagungen auf, bald<lb/>
treiben &#x017F;ie die&#x017F;elben, bald mi&#x017F;chen &#x017F;ie, bei un-<lb/>
erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein;<lb/>
bald &#x017F;ind die Boten Einer Woiwod&#x017F;chaft, Eines<lb/>
Bezirks unter einander &#x017F;elb&#x017F;t nicht ein&#x017F;timmig;<lb/>
bald wirkt auf den einen Privatintere&#x017F;&#x017F;e, bald<lb/>
auf den andern Drohung oder Be&#x017F;techung &#x2014;<lb/>
und &#x017F;o kann man mit Recht &#x017F;agen, daß &#x017F;ie<lb/>
nicht nach ihren Auftra&#x0364;gen, &#x017F;ondern nach eige-<lb/>
nem Willen die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte betreiben.</p><lb/>
        <p>Der Wu&#x0364;rden und Aemter, die aus&#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;end aus dem Ritter&#x017F;tande be&#x017F;etzt werden,<lb/>
&#x017F;ind weit mehr als derer, die der Senatoren-<lb/>
&#x017F;tand be&#x017F;etzt. Man kann &#x017F;ie fu&#x0364;glich in drei<lb/>
Arten abtheilen, in &#x017F;olche, die von Kron-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0078] laufendes vom Reichstage beſchloſſen werden koͤnnte. Man nennt dies gefaͤhrliche Vorrecht die freie Stimme, das Widerſpruchs- recht, das liberum veto. Die Landboten ſollen zwar im Namen ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber ſie han- deln doch oft nach eigenem Willen. Bald halten ſie die Berathſchlagungen auf, bald treiben ſie dieſelben, bald miſchen ſie, bei un- erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein; bald ſind die Boten Einer Woiwodſchaft, Eines Bezirks unter einander ſelbſt nicht einſtimmig; bald wirkt auf den einen Privatintereſſe, bald auf den andern Drohung oder Beſtechung — und ſo kann man mit Recht ſagen, daß ſie nicht nach ihren Auftraͤgen, ſondern nach eige- nem Willen die Geſchaͤfte betreiben. Der Wuͤrden und Aemter, die ausſchlieſ- ſend aus dem Ritterſtande beſetzt werden, ſind weit mehr als derer, die der Senatoren- ſtand beſetzt. Man kann ſie fuͤglich in drei Arten abtheilen, in ſolche, die von Kron-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/78
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/78>, abgerufen am 28.04.2024.