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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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rungen in wohlabgewogener Ordnung zu er-
halten. Das Geräusch und die Händelsucht
der Trinker, die egoistische Trockenheit der
Esser, der tretende und reißende Frohsinn der
Tänzer, die blasse Standhaftigkeit der Spie-
ler, die blinde und taube Glückseligkeit der
Verliebten, die Unterhaltungssucht gern ge-
hörter Schönsprecher, und viele andre Dinge,
zeigten sich, wie immer, wenn der Menschen
viele in einer gewissen Bewegung bei einander
sind, in einem gemilderten Lichte, und die
nüchternsten Gemüther fühlten mit jedem
Pulsschlage ihr Blut wärmer und schneller
kreisen, und, statt den trunkenen Sänger
neben sich, den beredtsamen Schwachkopf hin-
ter sich, den linkischen Tänzer vor sich, mit
Strenge zu beurtheilen, lößte sich wohl dies-
mal ihre Selbstgefälligkeit in ein Lächeln über
solche Menschlichkeiten auf.

Das Ende dieser Gesellschaften war eine
allgemeine Abspannung. Die Esser, Trinker

rungen in wohlabgewogener Ordnung zu er-
halten. Das Geraͤuſch und die Haͤndelſucht
der Trinker, die egoiſtiſche Trockenheit der
Eſſer, der tretende und reißende Frohſinn der
Taͤnzer, die blaſſe Standhaftigkeit der Spie-
ler, die blinde und taube Gluͤckſeligkeit der
Verliebten, die Unterhaltungsſucht gern ge-
hoͤrter Schoͤnſprecher, und viele andre Dinge,
zeigten ſich, wie immer, wenn der Menſchen
viele in einer gewiſſen Bewegung bei einander
ſind, in einem gemilderten Lichte, und die
nuͤchternſten Gemuͤther fuͤhlten mit jedem
Pulsſchlage ihr Blut waͤrmer und ſchneller
kreiſen, und, ſtatt den trunkenen Saͤnger
neben ſich, den beredtſamen Schwachkopf hin-
ter ſich, den linkiſchen Taͤnzer vor ſich, mit
Strenge zu beurtheilen, loͤßte ſich wohl dies-
mal ihre Selbſtgefaͤlligkeit in ein Laͤcheln uͤber
ſolche Menſchlichkeiten auf.

Das Ende dieſer Geſellſchaften war eine
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[186/0196] rungen in wohlabgewogener Ordnung zu er- halten. Das Geraͤuſch und die Haͤndelſucht der Trinker, die egoiſtiſche Trockenheit der Eſſer, der tretende und reißende Frohſinn der Taͤnzer, die blaſſe Standhaftigkeit der Spie- ler, die blinde und taube Gluͤckſeligkeit der Verliebten, die Unterhaltungsſucht gern ge- hoͤrter Schoͤnſprecher, und viele andre Dinge, zeigten ſich, wie immer, wenn der Menſchen viele in einer gewiſſen Bewegung bei einander ſind, in einem gemilderten Lichte, und die nuͤchternſten Gemuͤther fuͤhlten mit jedem Pulsſchlage ihr Blut waͤrmer und ſchneller kreiſen, und, ſtatt den trunkenen Saͤnger neben ſich, den beredtſamen Schwachkopf hin- ter ſich, den linkiſchen Taͤnzer vor ſich, mit Strenge zu beurtheilen, loͤßte ſich wohl dies- mal ihre Selbſtgefaͤlligkeit in ein Laͤcheln uͤber ſolche Menſchlichkeiten auf. Das Ende dieſer Geſellſchaften war eine allgemeine Abſpannung. Die Eſſer, Trinker

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/196>, abgerufen am 21.11.2024.