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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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betrunkenen Russischen Musketier, in seiner
ganzen Rüstung, ein. Er nahm sich die Frey-
heit, mich mit schwerer Zunge zu fragen, wer
ich wäre. Da ich ihm, um kurz abzukommen,
zu erklären suchte, daß ich seine Sprache nicht
verstände, aber ein Deutscher Landsmann von
ihm sey: so versicherte er mir, ich sey doch ein
Pole; und machte Miene, nicht bloß sich am
Wagen zu halten, sondern wohl gar hinein zu
steigen und den Vordersitz einzunehmen. Weil
es hier stark geregnet hatte, so war der Boden
sehr schlüpfrig geworden, und da der Mann
seines Gleichgewichts nicht Meister war: so
fiel er, indem er rasch neben dem Wagen hin
zu schreiten versuchte, mit sich selbst und seinem
ganzen Gepäcke recht ernsthaft auf die Nase.
Da ich mit einem betrunkenen Sieger, den
ich noch dazu umgestoßen haben sollte, ungern
etwas theilen mochte, so ließ ich meinen Post-
knecht rasch zufahren, und kam so mit der klei-
nen Strafe davon, daß mich mein Landsmann,
als er wieder auf den Füßen war, mit einigen

C

betrunkenen Ruſſiſchen Musketier, in ſeiner
ganzen Ruͤſtung, ein. Er nahm ſich die Frey-
heit, mich mit ſchwerer Zunge zu fragen, wer
ich waͤre. Da ich ihm, um kurz abzukommen,
zu erklaͤren ſuchte, daß ich ſeine Sprache nicht
verſtaͤnde, aber ein Deutſcher Landsmann von
ihm ſey: ſo verſicherte er mir, ich ſey doch ein
Pole; und machte Miene, nicht bloß ſich am
Wagen zu halten, ſondern wohl gar hinein zu
ſteigen und den Vorderſitz einzunehmen. Weil
es hier ſtark geregnet hatte, ſo war der Boden
ſehr ſchluͤpfrig geworden, und da der Mann
ſeines Gleichgewichts nicht Meiſter war: ſo
fiel er, indem er raſch neben dem Wagen hin
zu ſchreiten verſuchte, mit ſich ſelbſt und ſeinem
ganzen Gepaͤcke recht ernſthaft auf die Naſe.
Da ich mit einem betrunkenen Sieger, den
ich noch dazu umgeſtoßen haben ſollte, ungern
etwas theilen mochte, ſo ließ ich meinen Poſt-
knecht raſch zufahren, und kam ſo mit der klei-
nen Strafe davon, daß mich mein Landsmann,
als er wieder auf den Fuͤßen war, mit einigen

C
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[33/0051] betrunkenen Ruſſiſchen Musketier, in ſeiner ganzen Ruͤſtung, ein. Er nahm ſich die Frey- heit, mich mit ſchwerer Zunge zu fragen, wer ich waͤre. Da ich ihm, um kurz abzukommen, zu erklaͤren ſuchte, daß ich ſeine Sprache nicht verſtaͤnde, aber ein Deutſcher Landsmann von ihm ſey: ſo verſicherte er mir, ich ſey doch ein Pole; und machte Miene, nicht bloß ſich am Wagen zu halten, ſondern wohl gar hinein zu ſteigen und den Vorderſitz einzunehmen. Weil es hier ſtark geregnet hatte, ſo war der Boden ſehr ſchluͤpfrig geworden, und da der Mann ſeines Gleichgewichts nicht Meiſter war: ſo fiel er, indem er raſch neben dem Wagen hin zu ſchreiten verſuchte, mit ſich ſelbſt und ſeinem ganzen Gepaͤcke recht ernſthaft auf die Naſe. Da ich mit einem betrunkenen Sieger, den ich noch dazu umgeſtoßen haben ſollte, ungern etwas theilen mochte, ſo ließ ich meinen Poſt- knecht raſch zufahren, und kam ſo mit der klei- nen Strafe davon, daß mich mein Landsmann, als er wieder auf den Fuͤßen war, mit einigen C

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/51>, abgerufen am 28.04.2024.