Jch reiste den letzten des Aprils 1793 von Riga ab. Der Weg nach Mitau (61/2 Meile) ist sehr langweilig. Man fährt theils auf Sand, theils über Moorgrund, der auf beyden Seiten entweder mit Heidekraut oder mit krüpelhaftem Nadelholz besetzt ist. Zum Glück fahren die Lief- ländischen Postknechte so schnell, daß man diese öden Gegenden bald im Rücken hat. Je näher man an Mitau kömmt, desto fruchtbarer wird Boden und Gegend. Mitau nimmt sich von dieser Seite recht gut aus. Das Schloß und mehrere, jenseit der Aa gelegene, große und gute Häuser, geben einen fast glänzenden Anblick. Desto unscheinbarer ist das Jnnere der Stadt. Sie hat zwar lange, breite, meist ziemlich gerade Straßen, aber sie haben theils gar kein, theils ein schlechtes Pflaster und sind meist mit hölzernen, einstöckigen Häusern besetzt. Man giebt die Zahl ihrer Einwohner zu 10 bis 12000 an, eine, für ihren Umfang, geringe Be- völkerung.
Jch reiste den letzten des Aprils 1793 von Riga ab. Der Weg nach Mitau (6½ Meile) iſt ſehr langweilig. Man faͤhrt theils auf Sand, theils uͤber Moorgrund, der auf beyden Seiten entweder mit Heidekraut oder mit kruͤpelhaftem Nadelholz beſetzt iſt. Zum Gluͤck fahren die Lief- laͤndiſchen Poſtknechte ſo ſchnell, daß man dieſe oͤden Gegenden bald im Ruͤcken hat. Je naͤher man an Mitau koͤmmt, deſto fruchtbarer wird Boden und Gegend. Mitau nimmt ſich von dieſer Seite recht gut aus. Das Schloß und mehrere, jenſeit der Aa gelegene, große und gute Haͤuſer, geben einen faſt glaͤnzenden Anblick. Deſto unſcheinbarer iſt das Jnnere der Stadt. Sie hat zwar lange, breite, meiſt ziemlich gerade Straßen, aber ſie haben theils gar kein, theils ein ſchlechtes Pflaſter und ſind meiſt mit hoͤlzernen, einſtoͤckigen Haͤuſern beſetzt. Man giebt die Zahl ihrer Einwohner zu 10 bis 12000 an, eine, fuͤr ihren Umfang, geringe Be- voͤlkerung.
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Jch reiste den letzten des Aprils 1793 von
Riga ab. Der Weg nach Mitau (6½ Meile) iſt
ſehr langweilig. Man faͤhrt theils auf Sand,
theils uͤber Moorgrund, der auf beyden Seiten
entweder mit Heidekraut oder mit kruͤpelhaftem
Nadelholz beſetzt iſt. Zum Gluͤck fahren die Lief-
laͤndiſchen Poſtknechte ſo ſchnell, daß man dieſe
oͤden Gegenden bald im Ruͤcken hat. Je naͤher
man an Mitau koͤmmt, deſto fruchtbarer wird
Boden und Gegend. Mitau nimmt ſich von
dieſer Seite recht gut aus. Das Schloß
und mehrere, jenſeit der Aa gelegene, große
und gute Haͤuſer, geben einen faſt glaͤnzenden
Anblick. Deſto unſcheinbarer iſt das Jnnere
der Stadt. Sie hat zwar lange, breite, meiſt
ziemlich gerade Straßen, aber ſie haben theils
gar kein, theils ein ſchlechtes Pflaſter und ſind
meiſt mit hoͤlzernen, einſtoͤckigen Haͤuſern beſetzt.
Man giebt die Zahl ihrer Einwohner zu 10 bis
12000 an, eine, fuͤr ihren Umfang, geringe Be-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/22>, abgerufen am 22.07.2024.
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