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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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Zimmer unbesetzt, weil hier die Miethen mit
am wohlfeilsten in ganz Warschau sind; auch
die Gewölbe im Erdgeschosse sind verheuret
und zwar meist an Juden. Jnnerhalb laufen
Lauben um das ganze Gebäude her, und in
der Mitte des Hofes steht eine artige Ka-
pelle.

Ehedem waren die Gasthöfe in Mariavill
die einzigen in Warschau, und deßhalb die
besten; und so mußte man sich ihre Unbequem-
lichkeiten wohl gefallen lassen. Seitdem aber
die obenerwähnten eingerichtet worden, haben
sie sehr verloren und sind zu den gemeinsten
herunter gesunken. Ein paar Mordthaten, die
darin an Fremden geschahen, ohne daß man
die Thäter, die sich unter dem beständigen Ge-
tümmel des Hauses leicht verloren, heraus-
bringen konnte; Einbrüche und Diebstähle,
deren Ertrag sogleich unten im Hause von den
Juden an sich genommen wurde, die ihn auf
immer wegzuschaffen wußten; Ueberlauf von
liederlichem Gesindel; Schmutz auf den Gän-

Zimmer unbeſetzt, weil hier die Miethen mit
am wohlfeilſten in ganz Warſchau ſind; auch
die Gewoͤlbe im Erdgeſchoſſe ſind verheuret
und zwar meiſt an Juden. Jnnerhalb laufen
Lauben um das ganze Gebaͤude her, und in
der Mitte des Hofes ſteht eine artige Ka-
pelle.

Ehedem waren die Gaſthoͤfe in Mariavill
die einzigen in Warſchau, und deßhalb die
beſten; und ſo mußte man ſich ihre Unbequem-
lichkeiten wohl gefallen laſſen. Seitdem aber
die obenerwaͤhnten eingerichtet worden, haben
ſie ſehr verloren und ſind zu den gemeinſten
herunter geſunken. Ein paar Mordthaten, die
darin an Fremden geſchahen, ohne daß man
die Thaͤter, die ſich unter dem beſtaͤndigen Ge-
tuͤmmel des Hauſes leicht verloren, heraus-
bringen konnte; Einbruͤche und Diebſtaͤhle,
deren Ertrag ſogleich unten im Hauſe von den
Juden an ſich genommen wurde, die ihn auf
immer wegzuſchaffen wußten; Ueberlauf von
liederlichem Geſindel; Schmutz auf den Gaͤn-

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[155/0173] Zimmer unbeſetzt, weil hier die Miethen mit am wohlfeilſten in ganz Warſchau ſind; auch die Gewoͤlbe im Erdgeſchoſſe ſind verheuret und zwar meiſt an Juden. Jnnerhalb laufen Lauben um das ganze Gebaͤude her, und in der Mitte des Hofes ſteht eine artige Ka- pelle. Ehedem waren die Gaſthoͤfe in Mariavill die einzigen in Warſchau, und deßhalb die beſten; und ſo mußte man ſich ihre Unbequem- lichkeiten wohl gefallen laſſen. Seitdem aber die obenerwaͤhnten eingerichtet worden, haben ſie ſehr verloren und ſind zu den gemeinſten herunter geſunken. Ein paar Mordthaten, die darin an Fremden geſchahen, ohne daß man die Thaͤter, die ſich unter dem beſtaͤndigen Ge- tuͤmmel des Hauſes leicht verloren, heraus- bringen konnte; Einbruͤche und Diebſtaͤhle, deren Ertrag ſogleich unten im Hauſe von den Juden an ſich genommen wurde, die ihn auf immer wegzuſchaffen wußten; Ueberlauf von liederlichem Geſindel; Schmutz auf den Gaͤn-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/173>, abgerufen am 27.04.2024.