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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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dem jetzigen Könige zu danken, der sie theils
ankaufte, theils kopieren ließ, theils auch, was
die Gelehrten und Feldherrn betrifft, von den
Klöstern, Kollegien und Familien geschenkt er-
hielt.

Diejenige Seite des Schlosses, die nach
dem Flusse sieht, ist unstreitig die heiterste.
Man beherrscht von da herunter eine weitaus-
gebreitete Aussicht über die Weichsel, über
Prag und über die daran stoßende, mit Wald
umgebene, Fläche. Die andre Seite, die nach
der Stadt zu liegt, hat keine Aussicht, sondern
ist durch die erwähnte Pfarrkirche und durch
die hohen, schwarzen Häuser der Altstadt ver-
sperrt. Da keine Königin hier ist, so giebt es
auch keinen eigentlichen Hof, mithin ist das
Schloß, feyerliche Gelegenheiten abgerechnet,
ziemlich öde und todt. Am Fuße desselben, nach
der Weichsel zu, stehen meist elende hölzerne
Hütten, die alles um sich her liegen haben,
was ihre Bewohner an Bettstroh, Dünger,
altem Lumpen- und Lederwerk nicht mehr

dem jetzigen Koͤnige zu danken, der ſie theils
ankaufte, theils kopieren ließ, theils auch, was
die Gelehrten und Feldherrn betrifft, von den
Kloͤſtern, Kollegien und Familien geſchenkt er-
hielt.

Diejenige Seite des Schloſſes, die nach
dem Fluſſe ſieht, iſt unſtreitig die heiterſte.
Man beherrſcht von da herunter eine weitaus-
gebreitete Ausſicht uͤber die Weichſel, uͤber
Prag und uͤber die daran ſtoßende, mit Wald
umgebene, Flaͤche. Die andre Seite, die nach
der Stadt zu liegt, hat keine Ausſicht, ſondern
iſt durch die erwaͤhnte Pfarrkirche und durch
die hohen, ſchwarzen Haͤuſer der Altſtadt ver-
ſperrt. Da keine Koͤnigin hier iſt, ſo giebt es
auch keinen eigentlichen Hof, mithin iſt das
Schloß, feyerliche Gelegenheiten abgerechnet,
ziemlich oͤde und todt. Am Fuße deſſelben, nach
der Weichſel zu, ſtehen meiſt elende hoͤlzerne
Huͤtten, die alles um ſich her liegen haben,
was ihre Bewohner an Bettſtroh, Duͤnger,
altem Lumpen- und Lederwerk nicht mehr

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[93/0111] dem jetzigen Koͤnige zu danken, der ſie theils ankaufte, theils kopieren ließ, theils auch, was die Gelehrten und Feldherrn betrifft, von den Kloͤſtern, Kollegien und Familien geſchenkt er- hielt. Diejenige Seite des Schloſſes, die nach dem Fluſſe ſieht, iſt unſtreitig die heiterſte. Man beherrſcht von da herunter eine weitaus- gebreitete Ausſicht uͤber die Weichſel, uͤber Prag und uͤber die daran ſtoßende, mit Wald umgebene, Flaͤche. Die andre Seite, die nach der Stadt zu liegt, hat keine Ausſicht, ſondern iſt durch die erwaͤhnte Pfarrkirche und durch die hohen, ſchwarzen Haͤuſer der Altſtadt ver- ſperrt. Da keine Koͤnigin hier iſt, ſo giebt es auch keinen eigentlichen Hof, mithin iſt das Schloß, feyerliche Gelegenheiten abgerechnet, ziemlich oͤde und todt. Am Fuße deſſelben, nach der Weichſel zu, ſtehen meiſt elende hoͤlzerne Huͤtten, die alles um ſich her liegen haben, was ihre Bewohner an Bettſtroh, Duͤnger, altem Lumpen- und Lederwerk nicht mehr

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/111>, abgerufen am 27.04.2024.