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Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

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sie: es sey einmal in Jtalien so! Er werde
sehen! Mein Kellner in Roveredo, dort schon
"cameriere" genannt, machte mir beym Ein-
steigen in den Wagen noch eine zweyte Rech-
nung, weil er, wie er sagte, in der schon be-
zahlten einige Artikel vergessen hätte, die er
aus seiner Tasche bezahlen müßte, was "un
tal' Signor"
doch nicht zugeben würde. Jch
warf ihm ein kleines Silberstück zugleich mit
einem "gran' bricone" zu, der so ernsthaft
nicht gemeynt war. "Eccellenza!" rief er
aus, zog die Achseln zusammen, lehnte den
Kopf demüthiglich an die rechte Schulter und
drückte die aufgefangene Münze an die Brust.
Als der Postknecht fortfuhr, sagte er zu den
Umstehenden, so laut daß ich es wohl hören
mußte, "un buon' Signor!" und als ich
den Kopf herum drehte, um den Gaudieb noch
einmal anzusehen, überraschte ich ihn bey ei-
nem großen Kreutze, das er mir nachschlug.

Alle diese und hundert andere kleine Züge
und Erscheinungen sind Jtalienisch, und dem

ſie: es ſey einmal in Jtalien ſo! Er werde
ſehen! Mein Kellner in Roveredo, dort ſchon
„cameriere“ genannt, machte mir beym Ein-
ſteigen in den Wagen noch eine zweyte Rech-
nung, weil er, wie er ſagte, in der ſchon be-
zahlten einige Artikel vergeſſen haͤtte, die er
aus ſeiner Taſche bezahlen muͤßte, was „un
tal’ Signor“
doch nicht zugeben wuͤrde. Jch
warf ihm ein kleines Silberſtuͤck zugleich mit
einem „gran’ bricone“ zu, der ſo ernſthaft
nicht gemeynt war. „Eccellenza!“ rief er
aus, zog die Achſeln zuſammen, lehnte den
Kopf demuͤthiglich an die rechte Schulter und
druͤckte die aufgefangene Muͤnze an die Bruſt.
Als der Poſtknecht fortfuhr, ſagte er zu den
Umſtehenden, ſo laut daß ich es wohl hoͤren
mußte, „un buon’ Signor!“ und als ich
den Kopf herum drehte, um den Gaudieb noch
einmal anzuſehen, uͤberraſchte ich ihn bey ei-
nem großen Kreutze, das er mir nachſchlug.

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[54/0062] ſie: es ſey einmal in Jtalien ſo! Er werde ſehen! Mein Kellner in Roveredo, dort ſchon „cameriere“ genannt, machte mir beym Ein- ſteigen in den Wagen noch eine zweyte Rech- nung, weil er, wie er ſagte, in der ſchon be- zahlten einige Artikel vergeſſen haͤtte, die er aus ſeiner Taſche bezahlen muͤßte, was „un tal’ Signor“ doch nicht zugeben wuͤrde. Jch warf ihm ein kleines Silberſtuͤck zugleich mit einem „gran’ bricone“ zu, der ſo ernſthaft nicht gemeynt war. „Eccellenza!“ rief er aus, zog die Achſeln zuſammen, lehnte den Kopf demuͤthiglich an die rechte Schulter und druͤckte die aufgefangene Muͤnze an die Bruſt. Als der Poſtknecht fortfuhr, ſagte er zu den Umſtehenden, ſo laut daß ich es wohl hoͤren mußte, „un buon’ Signor!“ und als ich den Kopf herum drehte, um den Gaudieb noch einmal anzuſehen, uͤberraſchte ich ihn bey ei- nem großen Kreutze, das er mir nachſchlug. Alle dieſe und hundert andere kleine Zuͤge und Erſcheinungen ſind Jtalieniſch, und dem

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/62>, abgerufen am 04.05.2024.