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Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

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denen an der linken Seite ein ausgetretenes,
grüngelbes Wasser stauet und stockt. Armseli-
ge Hütchen stehen einzeln, auf diesem undankba-
ren Boden und pressen dem Reisenden die trau-
rige Frage ab, wie und womit ihre Bewohner
ein dürftiges Leben fristen mögen?

Als ich von Salurn abreis'te hingen schwar-
ze Wolken in den Alpen, durch die mein Weg
führte. Man rieth mir, das drohende Wetter
erst abzuwarten, weil der Donner in jenen
Schlüchten fürchterlich, der Blitz zerstörend,
und der Regen selten etwas anderes, als ein
Wolkenbruch sey, der, wie der Blitz mit sei-
nem Strahle, so mit seinen Strömen, große
Felsenstücke in die Thäler herabzuwälzen pflege.
Diese Warnung war wohlgemeynt, auch mir
nicht gleichgültig gewesen; eine Erscheinung
aber, wie diese, war mir auf einem solchen
Lokale noch nicht vorgekommen, hatte ich mir,
ihrer Größe und Furchtbarkeit nach, als ein-
zig gedacht, und so oft zu erleben gewünscht,
daß ich, freylich nicht ohne ein lebhaftes Ge-

denen an der linken Seite ein ausgetretenes,
gruͤngelbes Waſſer ſtauet und ſtockt. Armſeli-
ge Huͤtchen ſtehen einzeln, auf dieſem undankba-
ren Boden und preſſen dem Reiſenden die trau-
rige Frage ab, wie und womit ihre Bewohner
ein duͤrftiges Leben friſten moͤgen?

Als ich von Salurn abreis’te hingen ſchwar-
ze Wolken in den Alpen, durch die mein Weg
fuͤhrte. Man rieth mir, das drohende Wetter
erſt abzuwarten, weil der Donner in jenen
Schluͤchten fuͤrchterlich, der Blitz zerſtoͤrend,
und der Regen ſelten etwas anderes, als ein
Wolkenbruch ſey, der, wie der Blitz mit ſei-
nem Strahle, ſo mit ſeinen Stroͤmen, große
Felſenſtuͤcke in die Thaͤler herabzuwaͤlzen pflege.
Dieſe Warnung war wohlgemeynt, auch mir
nicht gleichguͤltig geweſen; eine Erſcheinung
aber, wie dieſe, war mir auf einem ſolchen
Lokale noch nicht vorgekommen, hatte ich mir,
ihrer Groͤße und Furchtbarkeit nach, als ein-
zig gedacht, und ſo oft zu erleben gewuͤnſcht,
daß ich, freylich nicht ohne ein lebhaftes Ge-

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[27/0035] denen an der linken Seite ein ausgetretenes, gruͤngelbes Waſſer ſtauet und ſtockt. Armſeli- ge Huͤtchen ſtehen einzeln, auf dieſem undankba- ren Boden und preſſen dem Reiſenden die trau- rige Frage ab, wie und womit ihre Bewohner ein duͤrftiges Leben friſten moͤgen? Als ich von Salurn abreis’te hingen ſchwar- ze Wolken in den Alpen, durch die mein Weg fuͤhrte. Man rieth mir, das drohende Wetter erſt abzuwarten, weil der Donner in jenen Schluͤchten fuͤrchterlich, der Blitz zerſtoͤrend, und der Regen ſelten etwas anderes, als ein Wolkenbruch ſey, der, wie der Blitz mit ſei- nem Strahle, ſo mit ſeinen Stroͤmen, große Felſenſtuͤcke in die Thaͤler herabzuwaͤlzen pflege. Dieſe Warnung war wohlgemeynt, auch mir nicht gleichguͤltig geweſen; eine Erſcheinung aber, wie dieſe, war mir auf einem ſolchen Lokale noch nicht vorgekommen, hatte ich mir, ihrer Groͤße und Furchtbarkeit nach, als ein- zig gedacht, und ſo oft zu erleben gewuͤnſcht, daß ich, freylich nicht ohne ein lebhaftes Ge-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/35>, abgerufen am 28.03.2024.