Das lebendige Getümmel in Verona ver- räth eben so wenig Pracht und Glanz, als die Häuser, Kirchen und Palläste; oder zei- gen sie sich, so ist es in veralteter, verblaßter Gestalt.
Der Adel, der, nach Verhältniß, der wohlhabendste Stand in Verona ist, trägt ganz auffallend diese Charakteristik. Die be- jahrten Personen dieser Klasse, die zum Theil sehr alte, und in der Landesgeschichte sehr berühmte, Namen haben, durchschreiten die Straßen zu Fuße, und erscheinen in den ge- wöhnlichen Kaffeehäusern, im Theater und im adelichen "Casino" selbst, in einem Anzuge, den man in Wien und in andern großen deutschen Städten den geringern bejahrten Schreibern und Registratoren kaum verzeihen würde. Gewöhnlich besteht er in einem ver- schossenen, seidenen Kleide, in einer gelbge- wordenen gestickten Weste, in uralten seide- nen Strümpfen, einem kurzen verrosteten Stahldegen, und einem mit Taffet oder Wachs-
Das lebendige Getuͤmmel in Verona ver- raͤth eben ſo wenig Pracht und Glanz, als die Haͤuſer, Kirchen und Pallaͤſte; oder zei- gen ſie ſich, ſo iſt es in veralteter, verblaßter Geſtalt.
Der Adel, der, nach Verhaͤltniß, der wohlhabendſte Stand in Verona iſt, traͤgt ganz auffallend dieſe Charakteriſtik. Die be- jahrten Perſonen dieſer Klaſſe, die zum Theil ſehr alte, und in der Landesgeſchichte ſehr beruͤhmte, Namen haben, durchſchreiten die Straßen zu Fuße, und erſcheinen in den ge- woͤhnlichen Kaffeehaͤuſern, im Theater und im adelichen „Casino“ ſelbſt, in einem Anzuge, den man in Wien und in andern großen deutſchen Staͤdten den geringern bejahrten Schreibern und Regiſtratoren kaum verzeihen wuͤrde. Gewoͤhnlich beſteht er in einem ver- ſchoſſenen, ſeidenen Kleide, in einer gelbge- wordenen geſtickten Weſte, in uralten ſeide- nen Struͤmpfen, einem kurzen verroſteten Stahldegen, und einem mit Taffet oder Wachs-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0132"n="124"/><p>Das lebendige Getuͤmmel in Verona ver-<lb/>
raͤth eben ſo wenig Pracht und Glanz, als<lb/>
die Haͤuſer, Kirchen und Pallaͤſte; oder zei-<lb/>
gen ſie ſich, ſo iſt es in veralteter, verblaßter<lb/>
Geſtalt.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Adel</hi>, der, nach Verhaͤltniß, der<lb/>
wohlhabendſte Stand in Verona iſt, traͤgt<lb/>
ganz auffallend dieſe Charakteriſtik. Die be-<lb/>
jahrten Perſonen dieſer Klaſſe, die zum Theil<lb/>ſehr alte, und in der Landesgeſchichte ſehr<lb/>
beruͤhmte, Namen haben, durchſchreiten die<lb/>
Straßen zu Fuße, und erſcheinen in den ge-<lb/>
woͤhnlichen Kaffeehaͤuſern, im Theater und im<lb/>
adelichen <hirendition="#aq">„Casino“</hi>ſelbſt, in einem Anzuge,<lb/>
den man in Wien und in andern großen<lb/>
deutſchen Staͤdten den geringern bejahrten<lb/>
Schreibern und Regiſtratoren kaum verzeihen<lb/>
wuͤrde. Gewoͤhnlich beſteht er in einem ver-<lb/>ſchoſſenen, ſeidenen Kleide, in einer gelbge-<lb/>
wordenen geſtickten Weſte, in uralten ſeide-<lb/>
nen Struͤmpfen, einem kurzen verroſteten<lb/>
Stahldegen, und einem mit Taffet oder Wachs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[124/0132]
Das lebendige Getuͤmmel in Verona ver-
raͤth eben ſo wenig Pracht und Glanz, als
die Haͤuſer, Kirchen und Pallaͤſte; oder zei-
gen ſie ſich, ſo iſt es in veralteter, verblaßter
Geſtalt.
Der Adel, der, nach Verhaͤltniß, der
wohlhabendſte Stand in Verona iſt, traͤgt
ganz auffallend dieſe Charakteriſtik. Die be-
jahrten Perſonen dieſer Klaſſe, die zum Theil
ſehr alte, und in der Landesgeſchichte ſehr
beruͤhmte, Namen haben, durchſchreiten die
Straßen zu Fuße, und erſcheinen in den ge-
woͤhnlichen Kaffeehaͤuſern, im Theater und im
adelichen „Casino“ ſelbſt, in einem Anzuge,
den man in Wien und in andern großen
deutſchen Staͤdten den geringern bejahrten
Schreibern und Regiſtratoren kaum verzeihen
wuͤrde. Gewoͤhnlich beſteht er in einem ver-
ſchoſſenen, ſeidenen Kleide, in einer gelbge-
wordenen geſtickten Weſte, in uralten ſeide-
nen Struͤmpfen, einem kurzen verroſteten
Stahldegen, und einem mit Taffet oder Wachs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/132>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.