Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.von Bourbon zu ihren Füßen lagen. Leonore hätte kein Weib sein müssen, wäre sie nicht berauscht worden. Und das war sie. Diese Männer mit den großen, ruhmbedeckten Namen standen vor ihr wie ideale Gestalten, von einem Strome von Poesie getragen. Es waren die purpurgeborenen Söhne des Geschicks, welchen der Himmel selbst die Salbung zu Fürsten der Menschheit gegeben, die Heroen, auf deren Haupt die Erinnerungen so vieler glorreicher Jahrhunderte wie eine Krone glänzten. Und sie waren verbannt und geächtet. Sie besaßen nur noch ihren Degen, diese Ritter des göttlichen Rechtes und alles Adelthums, diese Männer und Helden der Idee, welche seit tausend Jahren die abendländische Welt getragen und gefestet hatte. Wie erschienen sie nun doppelt groß, wie rissen sie nun das ganze Leben des jungen Mädchens zu Bewunderung, zu tief innerster Theilnahme hin! Und dieser Conde vor Allen, dieser Mann mit den dunkeln, blitzenden Augen und der verführerischen Lippe, dem großen, offenen Herzen und der freien Seele -- Leonore hätte aus schwärmerischer Begeisterung seinen Namen in die verschwiegene Nachtluft rufen mögen, während sie die Hand auf das fieberisch pochende Herz drückte. -- Endlich schlummerte sie ein, und als sie erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Ihr erster Blick fiel auf einen großen Blumenstrauß, der vor ihr in der Brüstung des offenen Fensters lag. Sie ergriff von Bourbon zu ihren Füßen lagen. Leonore hätte kein Weib sein müssen, wäre sie nicht berauscht worden. Und das war sie. Diese Männer mit den großen, ruhmbedeckten Namen standen vor ihr wie ideale Gestalten, von einem Strome von Poesie getragen. Es waren die purpurgeborenen Söhne des Geschicks, welchen der Himmel selbst die Salbung zu Fürsten der Menschheit gegeben, die Heroen, auf deren Haupt die Erinnerungen so vieler glorreicher Jahrhunderte wie eine Krone glänzten. Und sie waren verbannt und geächtet. Sie besaßen nur noch ihren Degen, diese Ritter des göttlichen Rechtes und alles Adelthums, diese Männer und Helden der Idee, welche seit tausend Jahren die abendländische Welt getragen und gefestet hatte. Wie erschienen sie nun doppelt groß, wie rissen sie nun das ganze Leben des jungen Mädchens zu Bewunderung, zu tief innerster Theilnahme hin! Und dieser Condé vor Allen, dieser Mann mit den dunkeln, blitzenden Augen und der verführerischen Lippe, dem großen, offenen Herzen und der freien Seele — Leonore hätte aus schwärmerischer Begeisterung seinen Namen in die verschwiegene Nachtluft rufen mögen, während sie die Hand auf das fieberisch pochende Herz drückte. — Endlich schlummerte sie ein, und als sie erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Ihr erster Blick fiel auf einen großen Blumenstrauß, der vor ihr in der Brüstung des offenen Fensters lag. Sie ergriff <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0090"/> von Bourbon zu ihren Füßen lagen. Leonore hätte kein Weib sein müssen, wäre sie nicht berauscht worden. Und das war sie. Diese Männer mit den großen, ruhmbedeckten Namen standen vor ihr wie ideale Gestalten, von einem Strome von Poesie getragen. Es waren die purpurgeborenen Söhne des Geschicks, welchen der Himmel selbst die Salbung zu Fürsten der Menschheit gegeben, die Heroen, auf deren Haupt die Erinnerungen so vieler glorreicher Jahrhunderte wie eine Krone glänzten. Und sie waren verbannt und geächtet. Sie besaßen nur noch ihren Degen, diese Ritter des göttlichen Rechtes und alles Adelthums, diese Männer und Helden der Idee, welche seit tausend Jahren die abendländische Welt getragen und gefestet hatte. Wie erschienen sie nun doppelt groß, wie rissen sie nun das ganze Leben des jungen Mädchens zu Bewunderung, zu tief innerster Theilnahme hin!</p><lb/> <p>Und dieser Condé vor Allen, dieser Mann mit den dunkeln, blitzenden Augen und der verführerischen Lippe, dem großen, offenen Herzen und der freien Seele — Leonore hätte aus schwärmerischer Begeisterung seinen Namen in die verschwiegene Nachtluft rufen mögen, während sie die Hand auf das fieberisch pochende Herz drückte. —</p><lb/> <p>Endlich schlummerte sie ein, und als sie erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Ihr erster Blick fiel auf einen großen Blumenstrauß, der vor ihr in der Brüstung des offenen Fensters lag. Sie ergriff<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
von Bourbon zu ihren Füßen lagen. Leonore hätte kein Weib sein müssen, wäre sie nicht berauscht worden. Und das war sie. Diese Männer mit den großen, ruhmbedeckten Namen standen vor ihr wie ideale Gestalten, von einem Strome von Poesie getragen. Es waren die purpurgeborenen Söhne des Geschicks, welchen der Himmel selbst die Salbung zu Fürsten der Menschheit gegeben, die Heroen, auf deren Haupt die Erinnerungen so vieler glorreicher Jahrhunderte wie eine Krone glänzten. Und sie waren verbannt und geächtet. Sie besaßen nur noch ihren Degen, diese Ritter des göttlichen Rechtes und alles Adelthums, diese Männer und Helden der Idee, welche seit tausend Jahren die abendländische Welt getragen und gefestet hatte. Wie erschienen sie nun doppelt groß, wie rissen sie nun das ganze Leben des jungen Mädchens zu Bewunderung, zu tief innerster Theilnahme hin!
Und dieser Condé vor Allen, dieser Mann mit den dunkeln, blitzenden Augen und der verführerischen Lippe, dem großen, offenen Herzen und der freien Seele — Leonore hätte aus schwärmerischer Begeisterung seinen Namen in die verschwiegene Nachtluft rufen mögen, während sie die Hand auf das fieberisch pochende Herz drückte. —
Endlich schlummerte sie ein, und als sie erwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Ihr erster Blick fiel auf einen großen Blumenstrauß, der vor ihr in der Brüstung des offenen Fensters lag. Sie ergriff
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