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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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uns fortzubringen, da wir am weitesten bis zu Hause haben. Herr von Mollenbach wird meine Frau in seinem Wagen mitnehmen und nach Windschrot fahren lassen; ich gehe zu Fuße, und du wirst in den Gemächern der Frau von Breteuil im Schlosse schlafen -- morgen wird man dich heimfahren lassen, oder ich werde kommen, dich abzuholen.

Ich bin Frau von Breteuil sehr dankbar -- aber ist nicht --

Leonore wurde unterbrochen. Der Graf von Artois trat zu der Gruppe.

Sie waren verschwunden, Mademoiselle Leonore, die Königin unsers Festes war fort, sagte er vorwurfsvoll. Wenn man wie Sie ist, so hat man nicht nöthig zu glänzen durch Abwesenheit! Das ist eine Art sich auszuzeichnen, welche die Gesellschaft, die alle Auszeichnungen nicht leicht verzeiht, Ihnen am schwersten vergeben wird.

Monseigneur -- versetzte Leonore schüchtern -- wie sollte ich dies fürchten -- eine solche Gesellschaft kann sich unmöglich um ein armes Mädchen kümmern, das sie nicht kennt.

O glauben Sie das nicht -- die Gesellschaft vergöttert Sie, betet Sie an -- Sie lächeln ungläubig, Mademoiselle, und Sie beleidigen mich. Wenn ein französischer Prinz auch nicht mehr sagen kann: der Staat, das bin ich, so lassen Sie ihm doch den Trost, zu sagen: die Gesellschaft, das bin ich!

uns fortzubringen, da wir am weitesten bis zu Hause haben. Herr von Mollenbach wird meine Frau in seinem Wagen mitnehmen und nach Windschrot fahren lassen; ich gehe zu Fuße, und du wirst in den Gemächern der Frau von Breteuil im Schlosse schlafen — morgen wird man dich heimfahren lassen, oder ich werde kommen, dich abzuholen.

Ich bin Frau von Breteuil sehr dankbar — aber ist nicht —

Leonore wurde unterbrochen. Der Graf von Artois trat zu der Gruppe.

Sie waren verschwunden, Mademoiselle Leonore, die Königin unsers Festes war fort, sagte er vorwurfsvoll. Wenn man wie Sie ist, so hat man nicht nöthig zu glänzen durch Abwesenheit! Das ist eine Art sich auszuzeichnen, welche die Gesellschaft, die alle Auszeichnungen nicht leicht verzeiht, Ihnen am schwersten vergeben wird.

Monseigneur — versetzte Leonore schüchtern — wie sollte ich dies fürchten — eine solche Gesellschaft kann sich unmöglich um ein armes Mädchen kümmern, das sie nicht kennt.

O glauben Sie das nicht — die Gesellschaft vergöttert Sie, betet Sie an — Sie lächeln ungläubig, Mademoiselle, und Sie beleidigen mich. Wenn ein französischer Prinz auch nicht mehr sagen kann: der Staat, das bin ich, so lassen Sie ihm doch den Trost, zu sagen: die Gesellschaft, das bin ich!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/87>, abgerufen am 13.05.2024.