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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nen, nur Ihnen auf Erden hinterlassen möchte, ist ja so unendlich reich -- was ist dagegen alles Gold, aller äußere Glanz, den das Haus meiner großen und erlauchten Väter je besessen hat! Es ist der Schatz meiner glühenden Seele, meiner -- ja, ich will es aussprechen, ich werde nach wenig Tagen in den Krieg ziehen und, ich ahne es, ich werde fallen in diesem Kriege -- das Testament eines Kriegers aber, das wissen Sie, bedarf keiner langen Vorbereitungen: -- es ist der Schatz meiner Liebe für Sie!

Um Gottes willen, mein Herr -- schweigen Sie --

Leonore wollte fliehen, aber er hielt sie zurück.

O Himmel, Sie verstehen mich nicht. Leonore, Sie wissen, was uns aus unserm Vaterlande verbannt hat. Wir haben uns hier zusammengeschaart, ein kleines Heer, aber entschlossene Männer, der höchste Adel Frankreichs, alle bereit, unser Blut hinzugeben für die Befreiung unseres Vaterlandes, für unsern König, für den allmächtigen Gott, den die frevelhafte Canaille entthront hat. Mein Vater führt uns; ich diene unter ihm, und ehe wenig Tage vergehen, stehen wir Aug' in Aug' einem unermeßlichen blutigen Barbarenhaufen gegenüber, um einen Krieg auf Tod und Leben, einen Krieg der Vernichtung mit ihm zu führen. In dieser ernsten Lage -- die Hand aufs Herz -- werden Sie behaupten, Leonore, ich könne in dieser Lage Sie täuschen wollen? Ist dies eine Zeit für mich, ein frevelhaftes Spiel mit einem Wesen zu treiben, dessen erster

nen, nur Ihnen auf Erden hinterlassen möchte, ist ja so unendlich reich — was ist dagegen alles Gold, aller äußere Glanz, den das Haus meiner großen und erlauchten Väter je besessen hat! Es ist der Schatz meiner glühenden Seele, meiner — ja, ich will es aussprechen, ich werde nach wenig Tagen in den Krieg ziehen und, ich ahne es, ich werde fallen in diesem Kriege — das Testament eines Kriegers aber, das wissen Sie, bedarf keiner langen Vorbereitungen: — es ist der Schatz meiner Liebe für Sie!

Um Gottes willen, mein Herr — schweigen Sie —

Leonore wollte fliehen, aber er hielt sie zurück.

O Himmel, Sie verstehen mich nicht. Leonore, Sie wissen, was uns aus unserm Vaterlande verbannt hat. Wir haben uns hier zusammengeschaart, ein kleines Heer, aber entschlossene Männer, der höchste Adel Frankreichs, alle bereit, unser Blut hinzugeben für die Befreiung unseres Vaterlandes, für unsern König, für den allmächtigen Gott, den die frevelhafte Canaille entthront hat. Mein Vater führt uns; ich diene unter ihm, und ehe wenig Tage vergehen, stehen wir Aug' in Aug' einem unermeßlichen blutigen Barbarenhaufen gegenüber, um einen Krieg auf Tod und Leben, einen Krieg der Vernichtung mit ihm zu führen. In dieser ernsten Lage — die Hand aufs Herz — werden Sie behaupten, Leonore, ich könne in dieser Lage Sie täuschen wollen? Ist dies eine Zeit für mich, ein frevelhaftes Spiel mit einem Wesen zu treiben, dessen erster

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/84>, abgerufen am 12.05.2024.