Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Gegendienst zu thun. Ich bin der Herzog Louis von Bourbon und Conde.

Die hübsche Holländerin war so überrascht und verwirrt, daß sie nichts zu erwidern wußte.

O! sagte sie, doppelt so laut, wie gewöhnlich.

Joseph erhielt einen Stich ins Herz. Ein strafender Blick fiel auf sie, der sie nun vollends um ihre Haltung brachte. Sie wagte kaum noch ihre schmale weiße Hand auf den Arm des Mannes von so übermenschlich vornehmem Namen zu legen.

Diese Vornehmheit schien ihre Inhaber jedoch nicht sehr zu drücken. Man hätte sie mit Fug und Recht ein paar lustige und verwegene junge Männer nennen können. Als solche hatten sie einen Ausflug von dem nicht sehr entfernten Schlosse Schönbornslust, welches sie als Gäste des Kurfürsten von Trier bewohnten, die Mosel hinauf gemacht und kehrten jetzt zurück. An einer Stelle, wo der Fahrweg die Ufer des Flusses verließ, um einen Bergrücken zu übersteigen, hatten sie ihren Wagen mit dem Gefolge vorausfahren heißen, einen einsam liegenden Nachen bestiegen und sich von dem Flusse hinabtragen lassen, dessen schönes und malerisches Gestade sie anzog. In der Nähe von Windschrot war ihrer Equipage das Rendezvous gegeben. Joseph ließ es sich nicht nehmen, sie bis dahin zu begleiten; die beiden Fürsten nahmen diese Höflichkeit ohne Umstände an, um so eher, als die Frauen ebenfalls mitwanderten. Diese waren viel zu verlegen, als daß

einen Gegendienst zu thun. Ich bin der Herzog Louis von Bourbon und Condé.

Die hübsche Holländerin war so überrascht und verwirrt, daß sie nichts zu erwidern wußte.

O! sagte sie, doppelt so laut, wie gewöhnlich.

Joseph erhielt einen Stich ins Herz. Ein strafender Blick fiel auf sie, der sie nun vollends um ihre Haltung brachte. Sie wagte kaum noch ihre schmale weiße Hand auf den Arm des Mannes von so übermenschlich vornehmem Namen zu legen.

Diese Vornehmheit schien ihre Inhaber jedoch nicht sehr zu drücken. Man hätte sie mit Fug und Recht ein paar lustige und verwegene junge Männer nennen können. Als solche hatten sie einen Ausflug von dem nicht sehr entfernten Schlosse Schönbornslust, welches sie als Gäste des Kurfürsten von Trier bewohnten, die Mosel hinauf gemacht und kehrten jetzt zurück. An einer Stelle, wo der Fahrweg die Ufer des Flusses verließ, um einen Bergrücken zu übersteigen, hatten sie ihren Wagen mit dem Gefolge vorausfahren heißen, einen einsam liegenden Nachen bestiegen und sich von dem Flusse hinabtragen lassen, dessen schönes und malerisches Gestade sie anzog. In der Nähe von Windschrot war ihrer Equipage das Rendezvous gegeben. Joseph ließ es sich nicht nehmen, sie bis dahin zu begleiten; die beiden Fürsten nahmen diese Höflichkeit ohne Umstände an, um so eher, als die Frauen ebenfalls mitwanderten. Diese waren viel zu verlegen, als daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0068"/>
einen Gegendienst zu thun. Ich bin der Herzog Louis von Bourbon und Condé.</p><lb/>
        <p>Die hübsche Holländerin war so überrascht und verwirrt, daß sie nichts zu erwidern wußte.</p><lb/>
        <p>O! sagte sie, doppelt so laut, wie gewöhnlich.</p><lb/>
        <p>Joseph erhielt einen Stich ins Herz. Ein strafender Blick fiel auf sie, der sie nun vollends      um ihre Haltung brachte. Sie wagte kaum noch ihre schmale weiße Hand auf den Arm des Mannes von      so übermenschlich vornehmem Namen zu legen.</p><lb/>
        <p>Diese Vornehmheit schien ihre Inhaber jedoch nicht sehr zu drücken. Man hätte sie mit Fug und      Recht ein paar lustige und verwegene junge Männer nennen können. Als solche hatten sie einen      Ausflug von dem nicht sehr entfernten Schlosse Schönbornslust, welches sie als Gäste des      Kurfürsten von Trier bewohnten, die Mosel hinauf gemacht und kehrten jetzt zurück. An einer      Stelle, wo der Fahrweg die Ufer des Flusses verließ, um einen Bergrücken zu übersteigen, hatten      sie ihren Wagen mit dem Gefolge vorausfahren heißen, einen einsam liegenden Nachen bestiegen      und sich von dem Flusse hinabtragen lassen, dessen schönes und malerisches Gestade sie anzog.      In der Nähe von Windschrot war ihrer Equipage das Rendezvous gegeben. Joseph ließ es sich nicht      nehmen, sie bis dahin zu begleiten; die beiden Fürsten nahmen diese Höflichkeit ohne Umstände      an, um so eher, als die Frauen ebenfalls mitwanderten. Diese waren viel zu verlegen, als daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] einen Gegendienst zu thun. Ich bin der Herzog Louis von Bourbon und Condé. Die hübsche Holländerin war so überrascht und verwirrt, daß sie nichts zu erwidern wußte. O! sagte sie, doppelt so laut, wie gewöhnlich. Joseph erhielt einen Stich ins Herz. Ein strafender Blick fiel auf sie, der sie nun vollends um ihre Haltung brachte. Sie wagte kaum noch ihre schmale weiße Hand auf den Arm des Mannes von so übermenschlich vornehmem Namen zu legen. Diese Vornehmheit schien ihre Inhaber jedoch nicht sehr zu drücken. Man hätte sie mit Fug und Recht ein paar lustige und verwegene junge Männer nennen können. Als solche hatten sie einen Ausflug von dem nicht sehr entfernten Schlosse Schönbornslust, welches sie als Gäste des Kurfürsten von Trier bewohnten, die Mosel hinauf gemacht und kehrten jetzt zurück. An einer Stelle, wo der Fahrweg die Ufer des Flusses verließ, um einen Bergrücken zu übersteigen, hatten sie ihren Wagen mit dem Gefolge vorausfahren heißen, einen einsam liegenden Nachen bestiegen und sich von dem Flusse hinabtragen lassen, dessen schönes und malerisches Gestade sie anzog. In der Nähe von Windschrot war ihrer Equipage das Rendezvous gegeben. Joseph ließ es sich nicht nehmen, sie bis dahin zu begleiten; die beiden Fürsten nahmen diese Höflichkeit ohne Umstände an, um so eher, als die Frauen ebenfalls mitwanderten. Diese waren viel zu verlegen, als daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/68
Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/68>, abgerufen am 22.11.2024.