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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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"An den Vater schreibe ich nicht. Bereite ihn auf meine Ankunft vor. Ich überlasse es ihm selbst, ob er dem Sohne, der einst mit seinen Tonnen Goldes wird intercediren müssen, um die Löcher zu stopfen, die sein unbegreiflicher Leichtsinn aufgerissen, ein freundliches Gesicht machen will! Adieu, Theuere, auf Wiedersehn. Allen Berechnungen nach werden wir am 14. Abends bei Euch eintreffen. Dem treuer Bruder Joseph."

Leonoren fiel das Blatt aus den Händen, als sie es mit Mühe bis zu Ende gelesen. Sie war in einen wahren Sturm von Aufregung versetzt. Die Freude über sein Leben, sein Glück: der Kummer, daß nicht ein Wort der Liebe für sie im ganzen Briefe stand; die Eifersucht auf eine junge schöne Frau, die keine Stelle in seinem Herzen ihr übrig gelassen zu haben schien: endlich, alles Andere niederdrückend, die Angst, die unsägliche Angst, vor dem Wiedersehen und der Enttäuschung, die es für den Nichts ahnenden Bruder haben mußte -- das Alles wirbelte in ihrem armen Kopfe durcheinander.

Je mehr aber Leonore sich zu klarer Besinnung und unbefangenem Ueberblick ihrer Lage aus dem Sturm und Drang ihrer ersten Empfindungen emporarbeitete, desto fester bildete sich ein Entschluß in ihr aus, desto feierlicher gelobte sie sich, Alles aufzubieten, um diesen Entschluß durchzuführen.

Joseph und seine junge Frau sollten Nichts erfahren von der wahren Lage, worin ihr Vater, ihr

„An den Vater schreibe ich nicht. Bereite ihn auf meine Ankunft vor. Ich überlasse es ihm selbst, ob er dem Sohne, der einst mit seinen Tonnen Goldes wird intercediren müssen, um die Löcher zu stopfen, die sein unbegreiflicher Leichtsinn aufgerissen, ein freundliches Gesicht machen will! Adieu, Theuere, auf Wiedersehn. Allen Berechnungen nach werden wir am 14. Abends bei Euch eintreffen. Dem treuer Bruder Joseph.“

Leonoren fiel das Blatt aus den Händen, als sie es mit Mühe bis zu Ende gelesen. Sie war in einen wahren Sturm von Aufregung versetzt. Die Freude über sein Leben, sein Glück: der Kummer, daß nicht ein Wort der Liebe für sie im ganzen Briefe stand; die Eifersucht auf eine junge schöne Frau, die keine Stelle in seinem Herzen ihr übrig gelassen zu haben schien: endlich, alles Andere niederdrückend, die Angst, die unsägliche Angst, vor dem Wiedersehen und der Enttäuschung, die es für den Nichts ahnenden Bruder haben mußte — das Alles wirbelte in ihrem armen Kopfe durcheinander.

Je mehr aber Leonore sich zu klarer Besinnung und unbefangenem Ueberblick ihrer Lage aus dem Sturm und Drang ihrer ersten Empfindungen emporarbeitete, desto fester bildete sich ein Entschluß in ihr aus, desto feierlicher gelobte sie sich, Alles aufzubieten, um diesen Entschluß durchzuführen.

Joseph und seine junge Frau sollten Nichts erfahren von der wahren Lage, worin ihr Vater, ihr

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[0037] „An den Vater schreibe ich nicht. Bereite ihn auf meine Ankunft vor. Ich überlasse es ihm selbst, ob er dem Sohne, der einst mit seinen Tonnen Goldes wird intercediren müssen, um die Löcher zu stopfen, die sein unbegreiflicher Leichtsinn aufgerissen, ein freundliches Gesicht machen will! Adieu, Theuere, auf Wiedersehn. Allen Berechnungen nach werden wir am 14. Abends bei Euch eintreffen. Dem treuer Bruder Joseph.“ Leonoren fiel das Blatt aus den Händen, als sie es mit Mühe bis zu Ende gelesen. Sie war in einen wahren Sturm von Aufregung versetzt. Die Freude über sein Leben, sein Glück: der Kummer, daß nicht ein Wort der Liebe für sie im ganzen Briefe stand; die Eifersucht auf eine junge schöne Frau, die keine Stelle in seinem Herzen ihr übrig gelassen zu haben schien: endlich, alles Andere niederdrückend, die Angst, die unsägliche Angst, vor dem Wiedersehen und der Enttäuschung, die es für den Nichts ahnenden Bruder haben mußte — das Alles wirbelte in ihrem armen Kopfe durcheinander. Je mehr aber Leonore sich zu klarer Besinnung und unbefangenem Ueberblick ihrer Lage aus dem Sturm und Drang ihrer ersten Empfindungen emporarbeitete, desto fester bildete sich ein Entschluß in ihr aus, desto feierlicher gelobte sie sich, Alles aufzubieten, um diesen Entschluß durchzuführen. Joseph und seine junge Frau sollten Nichts erfahren von der wahren Lage, worin ihr Vater, ihr

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/37>, abgerufen am 26.11.2024.