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Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885.

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Studium, als eine Art "Heimathskunde" betrachten
will, so habe ich Nichts dagegen. Das aber kann ich
Brugmann3 nicht zugestehen dass z. B. die indoger-
manische Sprachwissenschaft nicht ein Ausschnitt der
allgemeinen Sprachwissenschaft, sondern der indoger-
manischen Philologie sei. Die Grenzen der Sprach-
gruppen zu wissenschaftlichen Hauptgrenzen zu er-
heben halte ich für um so unthunlicher als Verwandt-
schaft und Unverwandtschaft in zahlreichen Fällen
noch gar nicht festgestellt, sondern selbst erst Unter-
suchungsobjecte sind. Brugmann3, und die Meisten
mit ihm, geben nicht viel auf Vergleichungen zwischen
unverwandten Sprachen; und in gleichem Credit müssen
folgerichtigerweise auch die Vergleichungen zwischen
historisch nicht zusammenhängenden Erscheinungen in
verwandten Sprachen stehen, wie deren Brugmann
in seinem trefflichen Aufsatz "Zur Frage nach den
Verwandtschaftsverhältnissen der indogermanischen
Sprachen" (1883) aufgezählt hat. Ich hingegen halte
solche Untersuchungen wie sie z. B. schon vor Jahr-
zehnten A. Schleicher über den Zetacismus anstellte,
für höchst erspriesslich; die Linguisten sollten, dem
Beispiele der Naturforscher folgend, häufiger, irgend
einer Erscheinung oder Erscheinungsgruppe zu lieb,
Spaziergänge um die Welt machen. Es würde dabei
auch auf das Besondere Licht fallen, vor Allem freilich
auf das Allgemeine. Wenn aber, Brugmann3 zufolge,
die Resultate welche die Vergleichungen zwischen Un-
verwandtem abwerfen, nur der Principienwissenschaft
zu Gute kämen, so würde das eben für mich nur eine
Bestätigung ihres Werthes sein. Denn die Sonderung
welche zwischen den einzelnen Sprachwissenschaften
und der allgemeinen, der Principienwissenschaft gemacht

Studium, als eine Art „Heimathskunde“ betrachten
will, so habe ich Nichts dagegen. Das aber kann ich
Brugmann3 nicht zugestehen dass z. B. die indoger-
manische Sprachwissenschaft nicht ein Ausschnitt der
allgemeinen Sprachwissenschaft, sondern der indoger-
manischen Philologie sei. Die Grenzen der Sprach-
gruppen zu wissenschaftlichen Hauptgrenzen zu er-
heben halte ich für um so unthunlicher als Verwandt-
schaft und Unverwandtschaft in zahlreichen Fällen
noch gar nicht festgestellt, sondern selbst erst Unter-
suchungsobjecte sind. Brugmann3, und die Meisten
mit ihm, geben nicht viel auf Vergleichungen zwischen
unverwandten Sprachen; und in gleichem Credit müssen
folgerichtigerweise auch die Vergleichungen zwischen
historisch nicht zusammenhängenden Erscheinungen in
verwandten Sprachen stehen, wie deren Brugmann
in seinem trefflichen Aufsatz „Zur Frage nach den
Verwandtschaftsverhältnissen der indogermanischen
Sprachen“ (1883) aufgezählt hat. Ich hingegen halte
solche Untersuchungen wie sie z. B. schon vor Jahr-
zehnten A. Schleicher über den Zetacismus anstellte,
für höchst erspriesslich; die Linguisten sollten, dem
Beispiele der Naturforscher folgend, häufiger, irgend
einer Erscheinung oder Erscheinungsgruppe zu lieb,
Spaziergänge um die Welt machen. Es würde dabei
auch auf das Besondere Licht fallen, vor Allem freilich
auf das Allgemeine. Wenn aber, Brugmann3 zufolge,
die Resultate welche die Vergleichungen zwischen Un-
verwandtem abwerfen, nur der Principienwissenschaft
zu Gute kämen, so würde das eben für mich nur eine
Bestätigung ihres Werthes sein. Denn die Sonderung
welche zwischen den einzelnen Sprachwissenschaften
und der allgemeinen, der Principienwissenschaft gemacht

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[38/0050] Studium, als eine Art „Heimathskunde“ betrachten will, so habe ich Nichts dagegen. Das aber kann ich Brugmann3 nicht zugestehen dass z. B. die indoger- manische Sprachwissenschaft nicht ein Ausschnitt der allgemeinen Sprachwissenschaft, sondern der indoger- manischen Philologie sei. Die Grenzen der Sprach- gruppen zu wissenschaftlichen Hauptgrenzen zu er- heben halte ich für um so unthunlicher als Verwandt- schaft und Unverwandtschaft in zahlreichen Fällen noch gar nicht festgestellt, sondern selbst erst Unter- suchungsobjecte sind. Brugmann3, und die Meisten mit ihm, geben nicht viel auf Vergleichungen zwischen unverwandten Sprachen; und in gleichem Credit müssen folgerichtigerweise auch die Vergleichungen zwischen historisch nicht zusammenhängenden Erscheinungen in verwandten Sprachen stehen, wie deren Brugmann in seinem trefflichen Aufsatz „Zur Frage nach den Verwandtschaftsverhältnissen der indogermanischen Sprachen“ (1883) aufgezählt hat. Ich hingegen halte solche Untersuchungen wie sie z. B. schon vor Jahr- zehnten A. Schleicher über den Zetacismus anstellte, für höchst erspriesslich; die Linguisten sollten, dem Beispiele der Naturforscher folgend, häufiger, irgend einer Erscheinung oder Erscheinungsgruppe zu lieb, Spaziergänge um die Welt machen. Es würde dabei auch auf das Besondere Licht fallen, vor Allem freilich auf das Allgemeine. Wenn aber, Brugmann3 zufolge, die Resultate welche die Vergleichungen zwischen Un- verwandtem abwerfen, nur der Principienwissenschaft zu Gute kämen, so würde das eben für mich nur eine Bestätigung ihres Werthes sein. Denn die Sonderung welche zwischen den einzelnen Sprachwissenschaften und der allgemeinen, der Principienwissenschaft gemacht

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Zitationshilfe: Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuchardt_lautgesetze_1885/50>, abgerufen am 19.04.2024.