Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem Diwan ein möglichst bequemes Lager her für seinen Gast.

Diesr schien vorläufig nicht daran zu denken, sich niederzulegen. Er hatte sich in einen Lehnstuhl gesetzt, die gefalteten Hände zwischen den Knieen, den Oberkörper vorgebeugt starrte er auf den Fußboden.

"Ich kann dir nicht sagen, wie ich's bereu', daß ich dieses verfluchte Schloß nicht längst hab' einreißen lassen," begann er nach einer Weile. "Ich hätte bei einem meiner Beamten übernachten können, während jetzt, da der Kasten nun einmal dasteht, muß ich hier wohnen. Ich kann's den Leuten im Ort doch nicht so deutlich zeigen, daß ich entweder ein Narr oder ein abergläubischer Einfaltspinsel bin. Ja, es ist mir damisch unangenehm, aber man darf nicht daran denken."

"Ich bedaure dich von ganzem Herzen," sagte Baron Stahl mitleidig, "aber die Nacht wird bald vorüber sein, und morgen wirst du leicht einen anständigen und stichhaltigen Vorwand finden für deine Abreise."

Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. Er hatte so eine Idee, als ob eine warme, menschlich lebendige Berührung am ehesten danach angethan sei, die kalte Gespensterfurcht zu bannen.

Die beruhigende Wirkung blieb nicht aus. Swoyschins Stimme klang bedeutend normaler, da er nach einer Pause von neuem anhub: "Was so ein paar Stunden aus einem Menschen machen können! Es

auf dem Diwan ein möglichst bequemes Lager her für seinen Gast.

Diesr schien vorläufig nicht daran zu denken, sich niederzulegen. Er hatte sich in einen Lehnstuhl gesetzt, die gefalteten Hände zwischen den Knieen, den Oberkörper vorgebeugt starrte er auf den Fußboden.

„Ich kann dir nicht sagen, wie ich’s bereu’, daß ich dieses verfluchte Schloß nicht längst hab’ einreißen lassen,“ begann er nach einer Weile. „Ich hätte bei einem meiner Beamten übernachten können, während jetzt, da der Kasten nun einmal dasteht, muß ich hier wohnen. Ich kann’s den Leuten im Ort doch nicht so deutlich zeigen, daß ich entweder ein Narr oder ein abergläubischer Einfaltspinsel bin. Ja, es ist mir damisch unangenehm, aber man darf nicht daran denken.“

„Ich bedaure dich von ganzem Herzen,“ sagte Baron Stahl mitleidig, „aber die Nacht wird bald vorüber sein, und morgen wirst du leicht einen anständigen und stichhaltigen Vorwand finden für deine Abreise.“

Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. Er hatte so eine Idee, als ob eine warme, menschlich lebendige Berührung am ehesten danach angethan sei, die kalte Gespensterfurcht zu bannen.

Die beruhigende Wirkung blieb nicht aus. Swoyschins Stimme klang bedeutend normaler, da er nach einer Pause von neuem anhub: „Was so ein paar Stunden aus einem Menschen machen können! Es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="156"/>
auf dem Diwan ein möglichst bequemes Lager her für seinen Gast.</p>
        <p>Diesr schien vorläufig nicht daran zu denken, sich niederzulegen. Er hatte sich in einen Lehnstuhl gesetzt, die gefalteten Hände zwischen den Knieen, den Oberkörper vorgebeugt starrte er auf den Fußboden.</p>
        <p>&#x201E;Ich kann dir nicht sagen, wie ich&#x2019;s bereu&#x2019;, daß ich dieses verfluchte Schloß nicht längst hab&#x2019; einreißen lassen,&#x201C; begann er nach einer Weile. &#x201E;Ich hätte bei einem meiner Beamten übernachten können, während jetzt, da der Kasten nun einmal dasteht, muß ich hier wohnen. Ich kann&#x2019;s den Leuten im Ort doch nicht so deutlich zeigen, daß ich entweder ein Narr oder ein abergläubischer Einfaltspinsel bin. Ja, es ist mir damisch unangenehm, aber man darf nicht daran denken.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich bedaure dich von ganzem Herzen,&#x201C; sagte Baron Stahl mitleidig, &#x201E;aber die Nacht wird bald vorüber sein, und morgen wirst du leicht einen anständigen und stichhaltigen Vorwand finden für deine Abreise.&#x201C;</p>
        <p>Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. Er hatte so eine Idee, als ob eine warme, menschlich lebendige Berührung am ehesten danach angethan sei, die kalte Gespensterfurcht zu bannen.</p>
        <p>Die beruhigende Wirkung blieb nicht aus. Swoyschins Stimme klang bedeutend normaler, da er nach einer Pause von neuem anhub: &#x201E;Was so ein paar Stunden aus einem Menschen machen können! Es
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0156] auf dem Diwan ein möglichst bequemes Lager her für seinen Gast. Diesr schien vorläufig nicht daran zu denken, sich niederzulegen. Er hatte sich in einen Lehnstuhl gesetzt, die gefalteten Hände zwischen den Knieen, den Oberkörper vorgebeugt starrte er auf den Fußboden. „Ich kann dir nicht sagen, wie ich’s bereu’, daß ich dieses verfluchte Schloß nicht längst hab’ einreißen lassen,“ begann er nach einer Weile. „Ich hätte bei einem meiner Beamten übernachten können, während jetzt, da der Kasten nun einmal dasteht, muß ich hier wohnen. Ich kann’s den Leuten im Ort doch nicht so deutlich zeigen, daß ich entweder ein Narr oder ein abergläubischer Einfaltspinsel bin. Ja, es ist mir damisch unangenehm, aber man darf nicht daran denken.“ „Ich bedaure dich von ganzem Herzen,“ sagte Baron Stahl mitleidig, „aber die Nacht wird bald vorüber sein, und morgen wirst du leicht einen anständigen und stichhaltigen Vorwand finden für deine Abreise.“ Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. Er hatte so eine Idee, als ob eine warme, menschlich lebendige Berührung am ehesten danach angethan sei, die kalte Gespensterfurcht zu bannen. Die beruhigende Wirkung blieb nicht aus. Swoyschins Stimme klang bedeutend normaler, da er nach einer Pause von neuem anhub: „Was so ein paar Stunden aus einem Menschen machen können! Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/156
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/156>, abgerufen am 23.11.2024.