Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.Eisenstäbe seines Käfigs stößt. Es möchte hinüber zu Dir. Befreie mich, Du meine Seele, mein Glück! In die weite Welt möchte ich's hinausschreien, daß ich Dich liebe, daß Du mich liebst, und wollt' nur, meine Stimme wäre stark genug, daß alle Könige und alle Königinnen der Welt mich hören könnten. Die Könige würden sich ärgern - die Königinnen aber würden mich doch nur beneiden. - Deine J." Der Vicomte hält das Blättchen an die Lippen. "O Julie!" murmelt er, "so lange ich Deiner sicher bin, fordere ich König und Königin und selbst die alte Prüde, die Etiquette, in die Schranken. A nous deux, ma bonne! Du wärst die erste Dame, mit der ich nicht hätte fertig werden können!" In immer lustigerem Muthwillen spinnen sich seine Gedanken ab. "Nicht wahr, es ist Dir verdrießlich," ruft er, "daß eine Verbindung stattfinden soll zwischen einer Prinzessin von Geblüt und Lancelot de Letoriere, Du alte Pedantin! Du möchtest alle Menschen zu mehr oder minder Eisenstäbe seines Käfigs stößt. Es möchte hinüber zu Dir. Befreie mich, Du meine Seele, mein Glück! In die weite Welt möchte ich’s hinausschreien, daß ich Dich liebe, daß Du mich liebst, und wollt’ nur, meine Stimme wäre stark genug, daß alle Könige und alle Königinnen der Welt mich hören könnten. Die Könige würden sich ärgern – die Königinnen aber würden mich doch nur beneiden. – Deine J.“ Der Vicomte hält das Blättchen an die Lippen. „O Julie!“ murmelt er, „so lange ich Deiner sicher bin, fordere ich König und Königin und selbst die alte Prüde, die Etiquette, in die Schranken. A nous deux, ma bonne! Du wärst die erste Dame, mit der ich nicht hätte fertig werden können!“ In immer lustigerem Muthwillen spinnen sich seine Gedanken ab. „Nicht wahr, es ist Dir verdrießlich,“ ruft er, „daß eine Verbindung stattfinden soll zwischen einer Prinzessin von Geblüt und Lancelot de Letorière, Du alte Pedantin! Du möchtest alle Menschen zu mehr oder minder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="37"/> Eisenstäbe seines Käfigs stößt. Es möchte hinüber zu Dir. Befreie mich, Du meine Seele, mein Glück! In die weite Welt möchte ich’s hinausschreien, daß ich Dich liebe, daß Du mich liebst, und wollt’ nur, meine Stimme wäre stark genug, daß alle Könige und alle Königinnen der Welt mich hören könnten. Die Könige würden sich ärgern – die Königinnen aber würden mich doch nur beneiden. –</p> <p rendition="#right">Deine J.“ </p> <p>Der Vicomte hält das Blättchen an die Lippen. „O Julie!“ murmelt er, „so lange ich Deiner sicher bin, fordere ich König und Königin und selbst die alte Prüde, die Etiquette, in die Schranken. <hi rendition="#aq">A nous deux, ma bonne!</hi> Du wärst die erste Dame, mit der ich nicht hätte fertig werden können!“</p> <p>In immer lustigerem Muthwillen spinnen sich seine Gedanken ab. „Nicht wahr, es ist Dir verdrießlich,“ ruft er, „daß eine Verbindung stattfinden soll zwischen einer Prinzessin von Geblüt und Lancelot de Letorière, Du alte Pedantin! Du möchtest alle Menschen zu mehr oder minder </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0037]
Eisenstäbe seines Käfigs stößt. Es möchte hinüber zu Dir. Befreie mich, Du meine Seele, mein Glück! In die weite Welt möchte ich’s hinausschreien, daß ich Dich liebe, daß Du mich liebst, und wollt’ nur, meine Stimme wäre stark genug, daß alle Könige und alle Königinnen der Welt mich hören könnten. Die Könige würden sich ärgern – die Königinnen aber würden mich doch nur beneiden. –
Deine J.“
Der Vicomte hält das Blättchen an die Lippen. „O Julie!“ murmelt er, „so lange ich Deiner sicher bin, fordere ich König und Königin und selbst die alte Prüde, die Etiquette, in die Schranken. A nous deux, ma bonne! Du wärst die erste Dame, mit der ich nicht hätte fertig werden können!“
In immer lustigerem Muthwillen spinnen sich seine Gedanken ab. „Nicht wahr, es ist Dir verdrießlich,“ ruft er, „daß eine Verbindung stattfinden soll zwischen einer Prinzessin von Geblüt und Lancelot de Letorière, Du alte Pedantin! Du möchtest alle Menschen zu mehr oder minder
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