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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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Selbst das Buch der Natur enthält einen ähn-
lichen Mythus, auf dessen Inhalt wir hier nur hin-
deuten wollen.

Die jetzige uns umgebende sinnliche Welt -- das
als Natur offenbarte Wort -- ist freylich in fest ste-
henden Lettern abgefaßt, und die Geschlechter der
sichtbaren Wesen erhalten und erneuern sich, auf dem
gewöhnlichen Wege, fast ohne alle Veränderung. In-
deß ist es doch sehr die Frage: ob dieses immer so
gewesen, oder ob nicht vielmehr der schaffende Proteus
in den letzten seiner Verwandlungen gewaltsam fest ge-
halten worden, ob nicht die einander gegen über ste-
henden, kämpfenden Kräfte (ein trauriges Hochzeitmahl
der Lapithen) gewaltsam in ihren wandelnden Bewegun-
gen gehemmt und erstarrt sind? Jene Ueberreste einer
vormaligen organischen Natur, die sich in den älteren
Gebirgen finden, haben, wenigstens größtentheils, zu
andern Formen gehört, als die der jetzigen Natur
sind, und der alte Meeresgrund der Gebirge zeigt
uns, in den über einander gehäuften abwechselnden
Schichten, wovon zuweilen eine jede ihre eigene Thier-
arten enthüllt, ein wirklich periodisches Verwandeln
und Abwechseln der Formen, eine in verschiedenen
Zeiträumen ganz verschiedene Thierwelt, wie solche
proteische Umwandlungen aus einer Form in die andre,
noch jetzt unter den Infusorien wahrgenommen werden. *)
Freylich sind die in der letzten großen Katastrophe un-
tergegangenen Geschlechter den jetzigen ziemlich ähnlich,

indeß
*) Ueber dieses merkwürdige noch immer wenig gekannte
Reich, steht eine treffliche Schrift, von H. Nees von
Esenbeck zu erwarten, voller eigenthümlicher, frucht-
barer Ansichten und neuer Entdeckungen.

Selbſt das Buch der Natur enthaͤlt einen aͤhn-
lichen Mythus, auf deſſen Inhalt wir hier nur hin-
deuten wollen.

Die jetzige uns umgebende ſinnliche Welt — das
als Natur offenbarte Wort — iſt freylich in feſt ſte-
henden Lettern abgefaßt, und die Geſchlechter der
ſichtbaren Weſen erhalten und erneuern ſich, auf dem
gewoͤhnlichen Wege, faſt ohne alle Veraͤnderung. In-
deß iſt es doch ſehr die Frage: ob dieſes immer ſo
geweſen, oder ob nicht vielmehr der ſchaffende Proteus
in den letzten ſeiner Verwandlungen gewaltſam feſt ge-
halten worden, ob nicht die einander gegen uͤber ſte-
henden, kaͤmpfenden Kraͤfte (ein trauriges Hochzeitmahl
der Lapithen) gewaltſam in ihren wandelnden Bewegun-
gen gehemmt und erſtarrt ſind? Jene Ueberreſte einer
vormaligen organiſchen Natur, die ſich in den aͤlteren
Gebirgen finden, haben, wenigſtens groͤßtentheils, zu
andern Formen gehoͤrt, als die der jetzigen Natur
ſind, und der alte Meeresgrund der Gebirge zeigt
uns, in den uͤber einander gehaͤuften abwechſelnden
Schichten, wovon zuweilen eine jede ihre eigene Thier-
arten enthuͤllt, ein wirklich periodiſches Verwandeln
und Abwechſeln der Formen, eine in verſchiedenen
Zeitraͤumen ganz verſchiedene Thierwelt, wie ſolche
proteiſche Umwandlungen aus einer Form in die andre,
noch jetzt unter den Infuſorien wahrgenommen werden. *)
Freylich ſind die in der letzten großen Kataſtrophe un-
tergegangenen Geſchlechter den jetzigen ziemlich aͤhnlich,

indeß
*) Ueber dieſes merkwuͤrdige noch immer wenig gekannte
Reich, ſteht eine treffliche Schrift, von H. Nees von
Eſenbeck zu erwarten, voller eigenthuͤmlicher, frucht-
barer Anſichten und neuer Entdeckungen.
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[83/0093] Selbſt das Buch der Natur enthaͤlt einen aͤhn- lichen Mythus, auf deſſen Inhalt wir hier nur hin- deuten wollen. Die jetzige uns umgebende ſinnliche Welt — das als Natur offenbarte Wort — iſt freylich in feſt ſte- henden Lettern abgefaßt, und die Geſchlechter der ſichtbaren Weſen erhalten und erneuern ſich, auf dem gewoͤhnlichen Wege, faſt ohne alle Veraͤnderung. In- deß iſt es doch ſehr die Frage: ob dieſes immer ſo geweſen, oder ob nicht vielmehr der ſchaffende Proteus in den letzten ſeiner Verwandlungen gewaltſam feſt ge- halten worden, ob nicht die einander gegen uͤber ſte- henden, kaͤmpfenden Kraͤfte (ein trauriges Hochzeitmahl der Lapithen) gewaltſam in ihren wandelnden Bewegun- gen gehemmt und erſtarrt ſind? Jene Ueberreſte einer vormaligen organiſchen Natur, die ſich in den aͤlteren Gebirgen finden, haben, wenigſtens groͤßtentheils, zu andern Formen gehoͤrt, als die der jetzigen Natur ſind, und der alte Meeresgrund der Gebirge zeigt uns, in den uͤber einander gehaͤuften abwechſelnden Schichten, wovon zuweilen eine jede ihre eigene Thier- arten enthuͤllt, ein wirklich periodiſches Verwandeln und Abwechſeln der Formen, eine in verſchiedenen Zeitraͤumen ganz verſchiedene Thierwelt, wie ſolche proteiſche Umwandlungen aus einer Form in die andre, noch jetzt unter den Infuſorien wahrgenommen werden. *) Freylich ſind die in der letzten großen Kataſtrophe un- tergegangenen Geſchlechter den jetzigen ziemlich aͤhnlich, indeß *) Ueber dieſes merkwuͤrdige noch immer wenig gekannte Reich, ſteht eine treffliche Schrift, von H. Nees von Eſenbeck zu erwarten, voller eigenthuͤmlicher, frucht- barer Anſichten und neuer Entdeckungen.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/93>, abgerufen am 23.11.2024.