Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.nung statt zu finden, als jene unserer moralischen Jenes geistige Organ im Menschen, in seiner er
nung ſtatt zu finden, als jene unſerer moraliſchen Jenes geiſtige Organ im Menſchen, in ſeiner er
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="60"/> nung ſtatt zu finden, als jene unſerer moraliſchen<lb/> Syſteme.</p><lb/> <p>Jenes geiſtige Organ im Menſchen, in ſeiner<lb/> Doppelſeitigkeit, iſt der gute und boͤſe Daͤmon, wel-<lb/> cher den Menſchen durchs Leben begleitet, und, je<lb/> nachdem er der einen oder anderen Stimme mehr Ge-<lb/> hoͤr gegeben, ihn zu einem gluͤcklichen oder ungluͤckli-<lb/> chen Ziele fuͤhret. Der beſſere (ſocratiſche) Daͤmon<lb/> erregt in der Seele die Sehnſucht des Beſſeren und<lb/> beſtraft ſie anfangs leiſer, je mehr ſie ihm aber Gehoͤr<lb/> giebt, deſto vernehmlicher uͤber jede Handlung, jedes<lb/> Wort, jeden Gedanken, welcher ſie von dem beſſeren<lb/> Ziele hinwegfuͤhret. Dieſer Daͤmon iſt prophetiſch,<lb/> und Jeder der mit den Fuͤhrungen des inneren Le-<lb/> bens bekannt iſt, wird erfahren haben, wie oft uns<lb/> derſelbe ſchon vor jenen Veranlaſſungen und Gelegen-<lb/> heiten warnt, und mit hoͤherer Gewalt bewahrt, hin-<lb/> ter denen, uns noch ganz unbekannt, das Boͤſe auf<lb/> uns lauert. Noch ſind wir uns keiner, ſelbſt nicht<lb/> der leiſeſten boͤſen Abſicht bewußt, und doch fuͤhlen<lb/> wir, wenn wir uns der unbekannten Gefahr naͤhern,<lb/> eine Unruhe, eine Angſt, wie nach einer vollbrachten<lb/> boͤſen Handlung. Auch vor andern, leiblichen Gefah-<lb/> ren warnt uns der ſocratiſche Daͤmon. Jener from-<lb/> me Geiſtliche gehet aus, um den nahe bey ſeiner Woh-<lb/> nung gelegenen Felſenberg mit ſeiner ſchoͤnen Ausſicht<lb/> zu beſuchen. Unterwegens ſpricht die innere Stimme<lb/> zu ihm: was thuſt du hier? fuͤhrt dich hoͤherer Be-<lb/> ruf, oder eitle Neugier hieher, iſt es auch recht, daß<lb/> du hier gehſt? Er haͤlt ein, ſtellt ſich neben den Weg<lb/> unter eine Bergwand, und uͤberlegt, und noch indem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
nung ſtatt zu finden, als jene unſerer moraliſchen
Syſteme.
Jenes geiſtige Organ im Menſchen, in ſeiner
Doppelſeitigkeit, iſt der gute und boͤſe Daͤmon, wel-
cher den Menſchen durchs Leben begleitet, und, je
nachdem er der einen oder anderen Stimme mehr Ge-
hoͤr gegeben, ihn zu einem gluͤcklichen oder ungluͤckli-
chen Ziele fuͤhret. Der beſſere (ſocratiſche) Daͤmon
erregt in der Seele die Sehnſucht des Beſſeren und
beſtraft ſie anfangs leiſer, je mehr ſie ihm aber Gehoͤr
giebt, deſto vernehmlicher uͤber jede Handlung, jedes
Wort, jeden Gedanken, welcher ſie von dem beſſeren
Ziele hinwegfuͤhret. Dieſer Daͤmon iſt prophetiſch,
und Jeder der mit den Fuͤhrungen des inneren Le-
bens bekannt iſt, wird erfahren haben, wie oft uns
derſelbe ſchon vor jenen Veranlaſſungen und Gelegen-
heiten warnt, und mit hoͤherer Gewalt bewahrt, hin-
ter denen, uns noch ganz unbekannt, das Boͤſe auf
uns lauert. Noch ſind wir uns keiner, ſelbſt nicht
der leiſeſten boͤſen Abſicht bewußt, und doch fuͤhlen
wir, wenn wir uns der unbekannten Gefahr naͤhern,
eine Unruhe, eine Angſt, wie nach einer vollbrachten
boͤſen Handlung. Auch vor andern, leiblichen Gefah-
ren warnt uns der ſocratiſche Daͤmon. Jener from-
me Geiſtliche gehet aus, um den nahe bey ſeiner Woh-
nung gelegenen Felſenberg mit ſeiner ſchoͤnen Ausſicht
zu beſuchen. Unterwegens ſpricht die innere Stimme
zu ihm: was thuſt du hier? fuͤhrt dich hoͤherer Be-
ruf, oder eitle Neugier hieher, iſt es auch recht, daß
du hier gehſt? Er haͤlt ein, ſtellt ſich neben den Weg
unter eine Bergwand, und uͤberlegt, und noch indem
er
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