Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Traume, voll tiefen prophetischen Inhaltes selber be-
fangen zu sehen. Und in der That, das Wort der
Natur, oder vielmehr der zur Natur gewordene Gott,
ist dem Alterthume zugleich Traum und Traumdeuter
gewesen. Der Mensch, ein Theil und Gleichniß je-
nes Gottes, dessen Sprache, dessen sinnlich offenbar-
tes Wort die Natur ist, hatte ursprünglich auch das
Organ für diese Sprache in sich, (er war Herr der
Natur, und zwar in anderem Sinne, als es gewöhn-
lich genommen wird) und noch jetzt läßt uns die ein-
gesperrte Psyche, wenigstens im Traume, den ange-
bornen Ton vernehmen. Uebereinstimmend mit dem
in ihr gelegten, war daher dem anfänglichen Menschen
das sinnlich offenbarte Wort der äußeren Natur durch-
aus verständlich, der Geist des Menschen redete ja die-
selbe Sprache in welcher jene lebendige Offenbarung
abgefaßt war, er war diese Sprache selber. Uns aber,
seit jener großen Sprachenverwirrung (Abschn. 5.) ist
die unserer Natur eigenthümliche Sprache ihrem tiefe-
ren Sinne nach unverständlich, wir bedurften der in
Worten ertheilten, geschriebenen Offenbarung. Ue-
brigens ist auch diese von demselben Inhalt, als jene
Naturoffenbarung -- immer nur Er, gestern und heu-
te, Derselbe auch in Ewigkeit.



4.

Traume, voll tiefen prophetiſchen Inhaltes ſelber be-
fangen zu ſehen. Und in der That, das Wort der
Natur, oder vielmehr der zur Natur gewordene Gott,
iſt dem Alterthume zugleich Traum und Traumdeuter
geweſen. Der Menſch, ein Theil und Gleichniß je-
nes Gottes, deſſen Sprache, deſſen ſinnlich offenbar-
tes Wort die Natur iſt, hatte urſpruͤnglich auch das
Organ fuͤr dieſe Sprache in ſich, (er war Herr der
Natur, und zwar in anderem Sinne, als es gewoͤhn-
lich genommen wird) und noch jetzt laͤßt uns die ein-
geſperrte Pſyche, wenigſtens im Traume, den ange-
bornen Ton vernehmen. Uebereinſtimmend mit dem
in ihr gelegten, war daher dem anfaͤnglichen Menſchen
das ſinnlich offenbarte Wort der aͤußeren Natur durch-
aus verſtaͤndlich, der Geiſt des Menſchen redete ja die-
ſelbe Sprache in welcher jene lebendige Offenbarung
abgefaßt war, er war dieſe Sprache ſelber. Uns aber,
ſeit jener großen Sprachenverwirrung (Abſchn. 5.) iſt
die unſerer Natur eigenthuͤmliche Sprache ihrem tiefe-
ren Sinne nach unverſtaͤndlich, wir bedurften der in
Worten ertheilten, geſchriebenen Offenbarung. Ue-
brigens iſt auch dieſe von demſelben Inhalt, als jene
Naturoffenbarung — immer nur Er, geſtern und heu-
te, Derſelbe auch in Ewigkeit.



4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="55"/>
Traume, voll tiefen propheti&#x017F;chen Inhaltes &#x017F;elber be-<lb/>
fangen zu &#x017F;ehen. Und in der That, das Wort der<lb/>
Natur, oder vielmehr der zur Natur gewordene Gott,<lb/>
i&#x017F;t dem Alterthume zugleich Traum und Traumdeuter<lb/>
gewe&#x017F;en. Der Men&#x017F;ch, ein Theil und Gleichniß je-<lb/>
nes Gottes, de&#x017F;&#x017F;en Sprache, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;innlich offenbar-<lb/>
tes Wort die Natur i&#x017F;t, hatte ur&#x017F;pru&#x0364;nglich auch das<lb/>
Organ fu&#x0364;r die&#x017F;e Sprache in &#x017F;ich, (er war Herr der<lb/>
Natur, und zwar in anderem Sinne, als es gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich genommen wird) und noch jetzt la&#x0364;ßt uns die ein-<lb/>
ge&#x017F;perrte P&#x017F;yche, wenig&#x017F;tens im Traume, den ange-<lb/>
bornen Ton vernehmen. Ueberein&#x017F;timmend mit dem<lb/>
in ihr gelegten, war daher dem anfa&#x0364;nglichen Men&#x017F;chen<lb/>
das &#x017F;innlich offenbarte Wort der a&#x0364;ußeren Natur durch-<lb/>
aus ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich, der Gei&#x017F;t des Men&#x017F;chen redete ja die-<lb/>
&#x017F;elbe Sprache in welcher jene lebendige Offenbarung<lb/>
abgefaßt war, er war die&#x017F;e Sprache &#x017F;elber. Uns aber,<lb/>
&#x017F;eit jener großen Sprachenverwirrung (Ab&#x017F;chn. 5.) i&#x017F;t<lb/>
die un&#x017F;erer Natur eigenthu&#x0364;mliche Sprache ihrem tiefe-<lb/>
ren Sinne nach unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich, wir bedurften der in<lb/>
Worten ertheilten, ge&#x017F;chriebenen Offenbarung. Ue-<lb/>
brigens i&#x017F;t auch die&#x017F;e von dem&#x017F;elben Inhalt, als jene<lb/>
Naturoffenbarung &#x2014; immer nur Er, ge&#x017F;tern und heu-<lb/>
te, Der&#x017F;elbe auch in Ewigkeit.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">4.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0065] Traume, voll tiefen prophetiſchen Inhaltes ſelber be- fangen zu ſehen. Und in der That, das Wort der Natur, oder vielmehr der zur Natur gewordene Gott, iſt dem Alterthume zugleich Traum und Traumdeuter geweſen. Der Menſch, ein Theil und Gleichniß je- nes Gottes, deſſen Sprache, deſſen ſinnlich offenbar- tes Wort die Natur iſt, hatte urſpruͤnglich auch das Organ fuͤr dieſe Sprache in ſich, (er war Herr der Natur, und zwar in anderem Sinne, als es gewoͤhn- lich genommen wird) und noch jetzt laͤßt uns die ein- geſperrte Pſyche, wenigſtens im Traume, den ange- bornen Ton vernehmen. Uebereinſtimmend mit dem in ihr gelegten, war daher dem anfaͤnglichen Menſchen das ſinnlich offenbarte Wort der aͤußeren Natur durch- aus verſtaͤndlich, der Geiſt des Menſchen redete ja die- ſelbe Sprache in welcher jene lebendige Offenbarung abgefaßt war, er war dieſe Sprache ſelber. Uns aber, ſeit jener großen Sprachenverwirrung (Abſchn. 5.) iſt die unſerer Natur eigenthuͤmliche Sprache ihrem tiefe- ren Sinne nach unverſtaͤndlich, wir bedurften der in Worten ertheilten, geſchriebenen Offenbarung. Ue- brigens iſt auch dieſe von demſelben Inhalt, als jene Naturoffenbarung — immer nur Er, geſtern und heu- te, Derſelbe auch in Ewigkeit. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/65
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/65>, abgerufen am 26.11.2024.