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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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deßhalb unter dem Bilde des Stieres dargestellt. Der
Stier ist aber nach dem Vorhergehenden auch Reprä-
sentant jener Weltperiode, die unmittelbar vor einer
großen, Vieles verbeerenden, Alles verändernden Ca-
tastrophe vorherging, und wo das erhaltende Prinzip
dem zerstörenden gegenüber durch Stärke und kräfti-
gere Reproductions und Schöpferkraft, den Sieg da-
von trägt. Der Stier zeigt uns daher das erhaltende
Prinzip, das Prinzip des Lichtes schon im Kampfe,
gleichsam leidend, duldend, und aus dem Tode des
Einzelnen nur immer mannichfaltiger und mächtiger
hervorgehend. Auch der Esel wird Bild der Zeugung
und der schaffenden Kraft. Merkwürdig ist es, daß
beyde Thierbilder in der Sprache des Traumes noch
jetzt dieselbe Bedeutung haben, wo z. B. der Esel un-
ter andern (auf seltsame Weise mit dem Begriffe der
Zeugung in Beziehung tretend) die Geliebte, die Ehe-
gattin bedeutet *).

Von einem solchen tiefbedeutenden Sinne erscheinen
uns alle in den Mysterien gebrauchte Naturbilder: der
Schmetterling, das in der Erde verborgene keimende
Korn, der Epheu, Wein, Mehl, Wasser, Feuer u. s.
w. Alle jene symbolischen Gestalten stehen in einem
tiefen Zusammenhange mit einander, und bilden eine
Reihe, worinnen sich uns die ganze Geschichte der hö-
heren prophetischen Region offenbaret. Wir sehen uns
auch in jener Mysteriensprache in einem mit dem Trau-
me verwandten Gebiet; ja wir glauben uns in einem

Trau-
*) M. s. z. B. das Frankfurter Traumbuch.

deßhalb unter dem Bilde des Stieres dargeſtellt. Der
Stier iſt aber nach dem Vorhergehenden auch Repraͤ-
ſentant jener Weltperiode, die unmittelbar vor einer
großen, Vieles verbeerenden, Alles veraͤndernden Ca-
taſtrophe vorherging, und wo das erhaltende Prinzip
dem zerſtoͤrenden gegenuͤber durch Staͤrke und kraͤfti-
gere Reproductions und Schoͤpferkraft, den Sieg da-
von traͤgt. Der Stier zeigt uns daher das erhaltende
Prinzip, das Prinzip des Lichtes ſchon im Kampfe,
gleichſam leidend, duldend, und aus dem Tode des
Einzelnen nur immer mannichfaltiger und maͤchtiger
hervorgehend. Auch der Eſel wird Bild der Zeugung
und der ſchaffenden Kraft. Merkwuͤrdig iſt es, daß
beyde Thierbilder in der Sprache des Traumes noch
jetzt dieſelbe Bedeutung haben, wo z. B. der Eſel un-
ter andern (auf ſeltſame Weiſe mit dem Begriffe der
Zeugung in Beziehung tretend) die Geliebte, die Ehe-
gattin bedeutet *).

Von einem ſolchen tiefbedeutenden Sinne erſcheinen
uns alle in den Myſterien gebrauchte Naturbilder: der
Schmetterling, das in der Erde verborgene keimende
Korn, der Epheu, Wein, Mehl, Waſſer, Feuer u. ſ.
w. Alle jene ſymboliſchen Geſtalten ſtehen in einem
tiefen Zuſammenhange mit einander, und bilden eine
Reihe, worinnen ſich uns die ganze Geſchichte der hoͤ-
heren prophetiſchen Region offenbaret. Wir ſehen uns
auch in jener Myſterienſprache in einem mit dem Trau-
me verwandten Gebiet; ja wir glauben uns in einem

Trau-
*) M. ſ. z. B. das Frankfurter Traumbuch.
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[54/0064] deßhalb unter dem Bilde des Stieres dargeſtellt. Der Stier iſt aber nach dem Vorhergehenden auch Repraͤ- ſentant jener Weltperiode, die unmittelbar vor einer großen, Vieles verbeerenden, Alles veraͤndernden Ca- taſtrophe vorherging, und wo das erhaltende Prinzip dem zerſtoͤrenden gegenuͤber durch Staͤrke und kraͤfti- gere Reproductions und Schoͤpferkraft, den Sieg da- von traͤgt. Der Stier zeigt uns daher das erhaltende Prinzip, das Prinzip des Lichtes ſchon im Kampfe, gleichſam leidend, duldend, und aus dem Tode des Einzelnen nur immer mannichfaltiger und maͤchtiger hervorgehend. Auch der Eſel wird Bild der Zeugung und der ſchaffenden Kraft. Merkwuͤrdig iſt es, daß beyde Thierbilder in der Sprache des Traumes noch jetzt dieſelbe Bedeutung haben, wo z. B. der Eſel un- ter andern (auf ſeltſame Weiſe mit dem Begriffe der Zeugung in Beziehung tretend) die Geliebte, die Ehe- gattin bedeutet *). Von einem ſolchen tiefbedeutenden Sinne erſcheinen uns alle in den Myſterien gebrauchte Naturbilder: der Schmetterling, das in der Erde verborgene keimende Korn, der Epheu, Wein, Mehl, Waſſer, Feuer u. ſ. w. Alle jene ſymboliſchen Geſtalten ſtehen in einem tiefen Zuſammenhange mit einander, und bilden eine Reihe, worinnen ſich uns die ganze Geſchichte der hoͤ- heren prophetiſchen Region offenbaret. Wir ſehen uns auch in jener Myſterienſprache in einem mit dem Trau- me verwandten Gebiet; ja wir glauben uns in einem Trau- *) M. ſ. z. B. das Frankfurter Traumbuch.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/64>, abgerufen am 26.11.2024.