derte lang selbst über das Daseyn jenes Welttheiles ungewiß war.
So ist jener Trieb, welchen wir in der ganzen Natur herrschen sehen, durchaus prophetischer Natur, und der Schicksalsgott Dionysos, welcher anderwärts als Traumgott, als Traumprophet, *) erscheinet, wal- tet hier, wie in der Region des Traumes, und der verwandten geistigeren Zustände, mit einer alles ord- nenden, alles in Uebereinstimmung setzenden Noth- wendigkeit.
Wir finden indeß jenen prophetischen Geist, wel- chen die Natur schon in Beziehung auf sich selber, auf ihre eigenen Bedürfnisse besitzt, auch noch in ei- nem viel höheren Sinne, und in Beziehung auf den Menschen in ihr wieder. Seit den ältesten Zeiten hat eine reine, unbefangene Betrachtung, in der Natur ein Abbild des menschlichen Lebens und Bestrebens gefunden, und auch den aus dem anfänglichen Kreise weit abgewichenen Menschen, erinnert die Natur auf mannigfaltige Weise an seine ursprüngliche Bestim- mung. Der Anblick einer hohen einsamen Gebirgs- gegend, das Wehen der Abendröthe, erwecken öfters den in uns schlummernden Ideenkreis einer höheren, geistigeren Welt und ein Verlangen, welches vergeb- lich seine volle Befriedigung von dem jetzigen Da- seyn begehrt.
Wie dem Menschen aus der ihn umgebenden Natur das Bild seines eigenen sinnlichen Daseyns von
allen
*)Creutzer, u. a. O.
derte lang ſelbſt uͤber das Daſeyn jenes Welttheiles ungewiß war.
So iſt jener Trieb, welchen wir in der ganzen Natur herrſchen ſehen, durchaus prophetiſcher Natur, und der Schickſalsgott Dionyſos, welcher anderwaͤrts als Traumgott, als Traumprophet, *) erſcheinet, wal- tet hier, wie in der Region des Traumes, und der verwandten geiſtigeren Zuſtaͤnde, mit einer alles ord- nenden, alles in Uebereinſtimmung ſetzenden Noth- wendigkeit.
Wir finden indeß jenen prophetiſchen Geiſt, wel- chen die Natur ſchon in Beziehung auf ſich ſelber, auf ihre eigenen Beduͤrfniſſe beſitzt, auch noch in ei- nem viel hoͤheren Sinne, und in Beziehung auf den Menſchen in ihr wieder. Seit den aͤlteſten Zeiten hat eine reine, unbefangene Betrachtung, in der Natur ein Abbild des menſchlichen Lebens und Beſtrebens gefunden, und auch den aus dem anfaͤnglichen Kreiſe weit abgewichenen Menſchen, erinnert die Natur auf mannigfaltige Weiſe an ſeine urſpruͤngliche Beſtim- mung. Der Anblick einer hohen einſamen Gebirgs- gegend, das Wehen der Abendroͤthe, erwecken oͤfters den in uns ſchlummernden Ideenkreis einer hoͤheren, geiſtigeren Welt und ein Verlangen, welches vergeb- lich ſeine volle Befriedigung von dem jetzigen Da- ſeyn begehrt.
Wie dem Menſchen aus der ihn umgebenden Natur das Bild ſeines eigenen ſinnlichen Daſeyns von
allen
*)Creutzer, u. a. O.
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derte lang ſelbſt uͤber das Daſeyn jenes Welttheiles
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Natur herrſchen ſehen, durchaus prophetiſcher Natur,
und der Schickſalsgott Dionyſos, welcher anderwaͤrts
als Traumgott, als Traumprophet, *) erſcheinet, wal-
tet hier, wie in der Region des Traumes, und der
verwandten geiſtigeren Zuſtaͤnde, mit einer alles ord-
nenden, alles in Uebereinſtimmung ſetzenden Noth-
wendigkeit.
Wir finden indeß jenen prophetiſchen Geiſt, wel-
chen die Natur ſchon in Beziehung auf ſich ſelber,
auf ihre eigenen Beduͤrfniſſe beſitzt, auch noch in ei-
nem viel hoͤheren Sinne, und in Beziehung auf den
Menſchen in ihr wieder. Seit den aͤlteſten Zeiten hat
eine reine, unbefangene Betrachtung, in der Natur
ein Abbild des menſchlichen Lebens und Beſtrebens
gefunden, und auch den aus dem anfaͤnglichen Kreiſe
weit abgewichenen Menſchen, erinnert die Natur auf
mannigfaltige Weiſe an ſeine urſpruͤngliche Beſtim-
mung. Der Anblick einer hohen einſamen Gebirgs-
gegend, das Wehen der Abendroͤthe, erwecken oͤfters
den in uns ſchlummernden Ideenkreis einer hoͤheren,
geiſtigeren Welt und ein Verlangen, welches vergeb-
lich ſeine volle Befriedigung von dem jetzigen Da-
ſeyn begehrt.
Wie dem Menſchen aus der ihn umgebenden
Natur das Bild ſeines eigenen ſinnlichen Daſeyns von
allen
*) Creutzer, u. a. O.
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/45>, abgerufen am 05.07.2024.
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