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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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Regionen: den Theil fürs Ganze zu brauchen, an ei-
nem Einzelnen die Geschichte des Ganzen darzustellen,
und wir finden in der Geschichte der Propheten öfters,
daß diese durch ihr eignes Schicksal das ihres gesamm-
ten Volkes repräsentirten.

Uebrigens ist die Sprache der höheren propheti-
schen Region mehr als irgend eine andre ihr verwand-
te: Sprache des Schicksals, Sprache einer alles wal-
tenden Gottesweisheit, und die Zukunft, selbst die
fernste, hat sich jenen Sehern so klar und deutlich
enthüllt, wie keinem andern. Der Inhalt aller Vor-
herverkündigungen der Propheten ist immer derselbe:
Geschichte des großen Kampfes der Wahrheit mit
der Lüge, des endlichen gewissen Sieges der erstern
über die letztre, und die Aussicht auf ein herrliches
Reich des Lichts, der Liebe, des Schauens.

Nun noch einige Worte, über ein hiermit nahe
verwandtes Gebiet: Die Lebensbeschteibungen und
Selbstbekenntnisse jener Menschen, welche ein inner-
liches Leben geführt haben, von jenen des Augustinus
an, bis zu den bekannten Bekenntnissen einer schönen
Seele, reden nicht selten von Zuständen, welche ganz
denen der prophetischen Gesichte gleichen. Besonders ist
das Leben der Anna Garcias, so wie jenes der An-
gela Foligni reich an ähnlichen Erscheinungen, und
der ersteren wird bald ihr innerer Seelenzustand, bald
ihr Verhältniß zur Welt oder zu Gott unter allerhand
(prophetischen) Bildern vorgestellt; z. B. unter jenen
von Thieren, Lichterscheinungen und anderen Naturgegen-
ständen. Beyspiele einer solchen höheren Clairvoyance

finden

Regionen: den Theil fuͤrs Ganze zu brauchen, an ei-
nem Einzelnen die Geſchichte des Ganzen darzuſtellen,
und wir finden in der Geſchichte der Propheten oͤfters,
daß dieſe durch ihr eignes Schickſal das ihres geſamm-
ten Volkes repraͤſentirten.

Uebrigens iſt die Sprache der hoͤheren propheti-
ſchen Region mehr als irgend eine andre ihr verwand-
te: Sprache des Schickſals, Sprache einer alles wal-
tenden Gottesweisheit, und die Zukunft, ſelbſt die
fernſte, hat ſich jenen Sehern ſo klar und deutlich
enthuͤllt, wie keinem andern. Der Inhalt aller Vor-
herverkuͤndigungen der Propheten iſt immer derſelbe:
Geſchichte des großen Kampfes der Wahrheit mit
der Luͤge, des endlichen gewiſſen Sieges der erſtern
uͤber die letztre, und die Ausſicht auf ein herrliches
Reich des Lichts, der Liebe, des Schauens.

Nun noch einige Worte, uͤber ein hiermit nahe
verwandtes Gebiet: Die Lebensbeſchteibungen und
Selbſtbekenntniſſe jener Menſchen, welche ein inner-
liches Leben gefuͤhrt haben, von jenen des Auguſtinus
an, bis zu den bekannten Bekenntniſſen einer ſchoͤnen
Seele, reden nicht ſelten von Zuſtaͤnden, welche ganz
denen der prophetiſchen Geſichte gleichen. Beſonders iſt
das Leben der Anna Garcias, ſo wie jenes der An-
gela Foligni reich an aͤhnlichen Erſcheinungen, und
der erſteren wird bald ihr innerer Seelenzuſtand, bald
ihr Verhaͤltniß zur Welt oder zu Gott unter allerhand
(prophetiſchen) Bildern vorgeſtellt; z. B. unter jenen
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ſtaͤnden. Beyſpiele einer ſolchen hoͤheren Clairvoyance

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[21/0031] Regionen: den Theil fuͤrs Ganze zu brauchen, an ei- nem Einzelnen die Geſchichte des Ganzen darzuſtellen, und wir finden in der Geſchichte der Propheten oͤfters, daß dieſe durch ihr eignes Schickſal das ihres geſamm- ten Volkes repraͤſentirten. Uebrigens iſt die Sprache der hoͤheren propheti- ſchen Region mehr als irgend eine andre ihr verwand- te: Sprache des Schickſals, Sprache einer alles wal- tenden Gottesweisheit, und die Zukunft, ſelbſt die fernſte, hat ſich jenen Sehern ſo klar und deutlich enthuͤllt, wie keinem andern. Der Inhalt aller Vor- herverkuͤndigungen der Propheten iſt immer derſelbe: Geſchichte des großen Kampfes der Wahrheit mit der Luͤge, des endlichen gewiſſen Sieges der erſtern uͤber die letztre, und die Ausſicht auf ein herrliches Reich des Lichts, der Liebe, des Schauens. Nun noch einige Worte, uͤber ein hiermit nahe verwandtes Gebiet: Die Lebensbeſchteibungen und Selbſtbekenntniſſe jener Menſchen, welche ein inner- liches Leben gefuͤhrt haben, von jenen des Auguſtinus an, bis zu den bekannten Bekenntniſſen einer ſchoͤnen Seele, reden nicht ſelten von Zuſtaͤnden, welche ganz denen der prophetiſchen Geſichte gleichen. Beſonders iſt das Leben der Anna Garcias, ſo wie jenes der An- gela Foligni reich an aͤhnlichen Erſcheinungen, und der erſteren wird bald ihr innerer Seelenzuſtand, bald ihr Verhaͤltniß zur Welt oder zu Gott unter allerhand (prophetiſchen) Bildern vorgeſtellt; z. B. unter jenen von Thieren, Lichterſcheinungen und anderen Naturgegen- ſtaͤnden. Beyſpiele einer ſolchen hoͤheren Clairvoyance finden

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/31>, abgerufen am 29.03.2024.