stellationen mit Sicherheit anzunehmen: daß das nicht geschehen werde, was die große Menge, und unter ihr vorzüglich die politischen Weisen, in frechem Ueber- muth, für ausgemachte Sache halten, und schon als ganz gewiß hoffen oder fürchten; vielmehr schließt er dann gerade aufs Gegentheil, und hat sich, so viel ich von ihm weiß, in solchen Schlüssen, die sich auf die Dummheit des menschlichen Herzens gründen, noch nicht betrogen. Die Pläne der höheren Weisheit, sagt er, sind etwas Anderes als die Pläne und Schlüsse der blöden Menschenweisheit: beyde lausen einander meist gerade entgegen, und jene Weisheit würde über- haupt keine höhere seyn, wenn jeder dummdreiste po- litische Witz ihre Absichten durchschauen könnte.
In der That bedarf es keiner langen Beobach- tungen, um einzusehen, daß wir in unsern Schlüssen und Plänen schon auf den nächsten Tag äußerst blind und unglücklich sind, und daß die Sprache des Schick- sals uns unverständlich, sein Gang für uns ein ver- schlossenes Buch sey. In jener natürlichen Blindheit liegt denn auch der Grund, weßhalb uns die Vorher- verkündigungen der Propheten, welche noch auf eine viel höhere Weise als der Traum die Sprache des Schicksals reden, so dunkel und unverständlich erscheinen.
Allerdings gleicht jene Sprache in Bildern und Hieroglyphen, deren sich die höhere Weisheit in allen ihren Offenbarungen an den Menschen bedient hat, eben so, wie die hiermit verwandte Sprache der Poesie, in unserm jetzigen Zustande mehr dem dunklen Bilderausdruck der Träume, als der Prosa des Wa-
chens;
ſtellationen mit Sicherheit anzunehmen: daß das nicht geſchehen werde, was die große Menge, und unter ihr vorzuͤglich die politiſchen Weiſen, in frechem Ueber- muth, fuͤr ausgemachte Sache halten, und ſchon als ganz gewiß hoffen oder fuͤrchten; vielmehr ſchließt er dann gerade aufs Gegentheil, und hat ſich, ſo viel ich von ihm weiß, in ſolchen Schluͤſſen, die ſich auf die Dummheit des menſchlichen Herzens gruͤnden, noch nicht betrogen. Die Plaͤne der hoͤheren Weisheit, ſagt er, ſind etwas Anderes als die Plaͤne und Schluͤſſe der bloͤden Menſchenweisheit: beyde lauſen einander meiſt gerade entgegen, und jene Weisheit wuͤrde uͤber- haupt keine hoͤhere ſeyn, wenn jeder dummdreiſte po- litiſche Witz ihre Abſichten durchſchauen koͤnnte.
In der That bedarf es keiner langen Beobach- tungen, um einzuſehen, daß wir in unſern Schluͤſſen und Plaͤnen ſchon auf den naͤchſten Tag aͤußerſt blind und ungluͤcklich ſind, und daß die Sprache des Schick- ſals uns unverſtaͤndlich, ſein Gang fuͤr uns ein ver- ſchloſſenes Buch ſey. In jener natuͤrlichen Blindheit liegt denn auch der Grund, weßhalb uns die Vorher- verkuͤndigungen der Propheten, welche noch auf eine viel hoͤhere Weiſe als der Traum die Sprache des Schickſals reden, ſo dunkel und unverſtaͤndlich erſcheinen.
Allerdings gleicht jene Sprache in Bildern und Hieroglyphen, deren ſich die hoͤhere Weisheit in allen ihren Offenbarungen an den Menſchen bedient hat, eben ſo, wie die hiermit verwandte Sprache der Poeſie, in unſerm jetzigen Zuſtande mehr dem dunklen Bilderausdruck der Traͤume, als der Proſa des Wa-
chens;
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="14"/>ſtellationen mit Sicherheit anzunehmen: daß das <hirendition="#g">nicht</hi><lb/>
geſchehen werde, was die große Menge, und unter ihr<lb/>
vorzuͤglich die politiſchen Weiſen, in frechem Ueber-<lb/>
muth, fuͤr ausgemachte Sache halten, und ſchon als<lb/>
ganz gewiß hoffen oder fuͤrchten; vielmehr ſchließt er<lb/>
dann gerade aufs Gegentheil, und hat ſich, ſo viel ich<lb/>
von ihm weiß, in ſolchen Schluͤſſen, die ſich auf die<lb/>
Dummheit des menſchlichen Herzens gruͤnden, noch<lb/>
nicht betrogen. Die Plaͤne der hoͤheren Weisheit, ſagt<lb/>
er, ſind etwas Anderes als die Plaͤne und Schluͤſſe<lb/>
der bloͤden Menſchenweisheit: beyde lauſen einander<lb/>
meiſt gerade entgegen, und jene Weisheit wuͤrde uͤber-<lb/>
haupt keine hoͤhere ſeyn, wenn jeder dummdreiſte po-<lb/>
litiſche Witz ihre Abſichten durchſchauen koͤnnte.</p><lb/><p>In der That bedarf es keiner langen Beobach-<lb/>
tungen, um einzuſehen, daß wir in unſern Schluͤſſen<lb/>
und Plaͤnen ſchon auf den naͤchſten Tag aͤußerſt blind<lb/>
und ungluͤcklich ſind, und daß die Sprache des Schick-<lb/>ſals uns unverſtaͤndlich, ſein Gang fuͤr uns ein ver-<lb/>ſchloſſenes Buch ſey. In jener natuͤrlichen Blindheit<lb/>
liegt denn auch der Grund, weßhalb uns die Vorher-<lb/>
verkuͤndigungen der Propheten, welche noch auf eine<lb/>
viel hoͤhere Weiſe als der Traum die Sprache des<lb/>
Schickſals reden, ſo dunkel und unverſtaͤndlich erſcheinen.</p><lb/><p>Allerdings gleicht jene Sprache in Bildern und<lb/>
Hieroglyphen, deren ſich die hoͤhere Weisheit in<lb/>
allen ihren Offenbarungen an den Menſchen bedient<lb/>
hat, eben ſo, wie die hiermit verwandte Sprache der<lb/>
Poeſie, in unſerm jetzigen Zuſtande mehr dem dunklen<lb/>
Bilderausdruck der Traͤume, als der Proſa des Wa-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chens;</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0024]
ſtellationen mit Sicherheit anzunehmen: daß das nicht
geſchehen werde, was die große Menge, und unter ihr
vorzuͤglich die politiſchen Weiſen, in frechem Ueber-
muth, fuͤr ausgemachte Sache halten, und ſchon als
ganz gewiß hoffen oder fuͤrchten; vielmehr ſchließt er
dann gerade aufs Gegentheil, und hat ſich, ſo viel ich
von ihm weiß, in ſolchen Schluͤſſen, die ſich auf die
Dummheit des menſchlichen Herzens gruͤnden, noch
nicht betrogen. Die Plaͤne der hoͤheren Weisheit, ſagt
er, ſind etwas Anderes als die Plaͤne und Schluͤſſe
der bloͤden Menſchenweisheit: beyde lauſen einander
meiſt gerade entgegen, und jene Weisheit wuͤrde uͤber-
haupt keine hoͤhere ſeyn, wenn jeder dummdreiſte po-
litiſche Witz ihre Abſichten durchſchauen koͤnnte.
In der That bedarf es keiner langen Beobach-
tungen, um einzuſehen, daß wir in unſern Schluͤſſen
und Plaͤnen ſchon auf den naͤchſten Tag aͤußerſt blind
und ungluͤcklich ſind, und daß die Sprache des Schick-
ſals uns unverſtaͤndlich, ſein Gang fuͤr uns ein ver-
ſchloſſenes Buch ſey. In jener natuͤrlichen Blindheit
liegt denn auch der Grund, weßhalb uns die Vorher-
verkuͤndigungen der Propheten, welche noch auf eine
viel hoͤhere Weiſe als der Traum die Sprache des
Schickſals reden, ſo dunkel und unverſtaͤndlich erſcheinen.
Allerdings gleicht jene Sprache in Bildern und
Hieroglyphen, deren ſich die hoͤhere Weisheit in
allen ihren Offenbarungen an den Menſchen bedient
hat, eben ſo, wie die hiermit verwandte Sprache der
Poeſie, in unſerm jetzigen Zuſtande mehr dem dunklen
Bilderausdruck der Traͤume, als der Proſa des Wa-
chens;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/24>, abgerufen am 05.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.