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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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unter den elektrischen Erschütterungen der Gewitter,
sich nur kräftiger entwickeln.

Eben jene fromme Seele, deren Worte wir vor-
hin anführten, sagt an einem andern Orte: "Der
Mensch wird gerade durch jene Untugend, womit er
Gott beleidiget, auch wieder gestraft. So ist wohl zu-
nächst der Hochmuth eine Wurzel alles unseres Uebels.
Wenn nun die Seele aus Gott wiedergeboren ist,
wird sie demüthig und wünschet von ganzem Herzen
ohne Hochmuth zu seyn. Demohngeachtet kommt der
Hochmuth ganz gegen ihren Willen in die Seele.
Aber es stehet nur bey ihr, sich diesem Hochmuth zu
widersetzen, und sich dadurch nur mehr in dem Sitz
der Wahrheit zu befestigen. Weil sie aber vorhin jene
Untugend mit ihrem Willen hegte, so kommt dieselbe
nun gegen ihren Willen." Ueber solche unwillkührliche
Regungen der Selbstsucht, jene Wurzel alles Uebeln,
klagen Alle in diesen Wegen Erfahrene. Wir sahen
im Vorhergehenden, daß die Grundneigung unserer sinn-
lichen Region Hochmuth sey, und daß bloß das mate-
rielle Geschäft, worinnen dieser Theil unserer geistigen
Natur befangen ist, seine eigenthümlichen Ausbrüche
hindere, welche dann erfolgen, wenn er durch heftige
Aufregung seiner ganzen Kraft (was eben so durch
niedere Leidenschaften, als durch die gewaltigen Ge-
fühle unserer höchsten Liebe geschehen kann) aus seinen
materiellen Banden frey geworden, oder wenn die Hül-
le unter der er sich verbarg auf einmal von ihm genom-
men wird. Diese ganze uns umgebende Region der
Sinnlichkeit, erscheint nach dem Vorhergehenden, durch
eineu Act des Hochmuths entstanden und gebildet. Aber

eben

unter den elektriſchen Erſchuͤtterungen der Gewitter,
ſich nur kraͤftiger entwickeln.

Eben jene fromme Seele, deren Worte wir vor-
hin anfuͤhrten, ſagt an einem andern Orte: „Der
Menſch wird gerade durch jene Untugend, womit er
Gott beleidiget, auch wieder geſtraft. So iſt wohl zu-
naͤchſt der Hochmuth eine Wurzel alles unſeres Uebels.
Wenn nun die Seele aus Gott wiedergeboren iſt,
wird ſie demuͤthig und wuͤnſchet von ganzem Herzen
ohne Hochmuth zu ſeyn. Demohngeachtet kommt der
Hochmuth ganz gegen ihren Willen in die Seele.
Aber es ſtehet nur bey ihr, ſich dieſem Hochmuth zu
widerſetzen, und ſich dadurch nur mehr in dem Sitz
der Wahrheit zu befeſtigen. Weil ſie aber vorhin jene
Untugend mit ihrem Willen hegte, ſo kommt dieſelbe
nun gegen ihren Willen.‟ Ueber ſolche unwillkuͤhrliche
Regungen der Selbſtſucht, jene Wurzel alles Uebeln,
klagen Alle in dieſen Wegen Erfahrene. Wir ſahen
im Vorhergehenden, daß die Grundneigung unſerer ſinn-
lichen Region Hochmuth ſey, und daß bloß das mate-
rielle Geſchaͤft, worinnen dieſer Theil unſerer geiſtigen
Natur befangen iſt, ſeine eigenthuͤmlichen Ausbruͤche
hindere, welche dann erfolgen, wenn er durch heftige
Aufregung ſeiner ganzen Kraft (was eben ſo durch
niedere Leidenſchaften, als durch die gewaltigen Ge-
fuͤhle unſerer hoͤchſten Liebe geſchehen kann) aus ſeinen
materiellen Banden frey geworden, oder wenn die Huͤl-
le unter der er ſich verbarg auf einmal von ihm genom-
men wird. Dieſe ganze uns umgebende Region der
Sinnlichkeit, erſcheint nach dem Vorhergehenden, durch
eineu Act des Hochmuths entſtanden und gebildet. Aber

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[186/0196] unter den elektriſchen Erſchuͤtterungen der Gewitter, ſich nur kraͤftiger entwickeln. Eben jene fromme Seele, deren Worte wir vor- hin anfuͤhrten, ſagt an einem andern Orte: „Der Menſch wird gerade durch jene Untugend, womit er Gott beleidiget, auch wieder geſtraft. So iſt wohl zu- naͤchſt der Hochmuth eine Wurzel alles unſeres Uebels. Wenn nun die Seele aus Gott wiedergeboren iſt, wird ſie demuͤthig und wuͤnſchet von ganzem Herzen ohne Hochmuth zu ſeyn. Demohngeachtet kommt der Hochmuth ganz gegen ihren Willen in die Seele. Aber es ſtehet nur bey ihr, ſich dieſem Hochmuth zu widerſetzen, und ſich dadurch nur mehr in dem Sitz der Wahrheit zu befeſtigen. Weil ſie aber vorhin jene Untugend mit ihrem Willen hegte, ſo kommt dieſelbe nun gegen ihren Willen.‟ Ueber ſolche unwillkuͤhrliche Regungen der Selbſtſucht, jene Wurzel alles Uebeln, klagen Alle in dieſen Wegen Erfahrene. Wir ſahen im Vorhergehenden, daß die Grundneigung unſerer ſinn- lichen Region Hochmuth ſey, und daß bloß das mate- rielle Geſchaͤft, worinnen dieſer Theil unſerer geiſtigen Natur befangen iſt, ſeine eigenthuͤmlichen Ausbruͤche hindere, welche dann erfolgen, wenn er durch heftige Aufregung ſeiner ganzen Kraft (was eben ſo durch niedere Leidenſchaften, als durch die gewaltigen Ge- fuͤhle unſerer hoͤchſten Liebe geſchehen kann) aus ſeinen materiellen Banden frey geworden, oder wenn die Huͤl- le unter der er ſich verbarg auf einmal von ihm genom- men wird. Dieſe ganze uns umgebende Region der Sinnlichkeit, erſcheint nach dem Vorhergehenden, durch eineu Act des Hochmuths entſtanden und gebildet. Aber eben

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/196>, abgerufen am 30.04.2024.