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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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genständen der Religion sprach, war jene Unbehülf-
lichkeit verschwunden, sein Ausdruck erhob und vere-
delte sich plötzlich, er sprach, ohne es selbst jemals zu
wissen, in Versen. Hierbey verrieth er in seinem Um-
gange eine Liebe, ein Zartgefühl, das von einer höhern
Bildung zeugte, als die sogenannte Bildung der Welt
ist. Erkennen wir schon beym Zustande des Somnambu-
lismus Erscheinungen ähnlicher Art an, wie viel weni-
ger sollten sie uns hier befremden. Es sind bey wei-
tem noch nicht die höchsten Erscheinungen dieser
Region!

Aber auf welche Weise, durch welche Mittel ge-
schieht diese Veränderung? -- In der That hier
erscheint uns die Region der Gefühle und der Sinn-
lichkeit in einer neuen höheren Beziehung, und jene
plötzliche Veränderung begann allerdings jederzeit zu-
erst durch Einflüsse, welche die dunkle und verdächtige
Welt der Gefühle stark aufregten. Wenn auch ein
solches psychisches Freywerden eines vorhin gebunde-
nen, seiner Natur nach höchst zweydeutigen Vermö-
gens, das nun auf einmal seinen Einfluß auf Be-
wußtseyn und Willen wieder empfängt *), nicht ohne
Gefahr ist, so wird doch diese Gefahr dadurch ver-
mindert und zuletzt ganz aufgehoben, daß die vorhin
von sinnlichen Gegenständen ganz erfüllte und gefessel-
te Neigung, von einem andern höhern Gegenstand er-

grif-
*) Dadurch, daß, wie im vorigen Abschnitte gezeigt wur-
de, die Wahlverwandschaft zwischen beyden Hälften
wieder hergestellt wird.

genſtaͤnden der Religion ſprach, war jene Unbehuͤlf-
lichkeit verſchwunden, ſein Ausdruck erhob und vere-
delte ſich ploͤtzlich, er ſprach, ohne es ſelbſt jemals zu
wiſſen, in Verſen. Hierbey verrieth er in ſeinem Um-
gange eine Liebe, ein Zartgefuͤhl, das von einer hoͤhern
Bildung zeugte, als die ſogenannte Bildung der Welt
iſt. Erkennen wir ſchon beym Zuſtande des Somnambu-
lismus Erſcheinungen aͤhnlicher Art an, wie viel weni-
ger ſollten ſie uns hier befremden. Es ſind bey wei-
tem noch nicht die hoͤchſten Erſcheinungen dieſer
Region!

Aber auf welche Weiſe, durch welche Mittel ge-
ſchieht dieſe Veraͤnderung? — In der That hier
erſcheint uns die Region der Gefuͤhle und der Sinn-
lichkeit in einer neuen hoͤheren Beziehung, und jene
ploͤtzliche Veraͤnderung begann allerdings jederzeit zu-
erſt durch Einfluͤſſe, welche die dunkle und verdaͤchtige
Welt der Gefuͤhle ſtark aufregten. Wenn auch ein
ſolches pſychiſches Freywerden eines vorhin gebunde-
nen, ſeiner Natur nach hoͤchſt zweydeutigen Vermoͤ-
gens, das nun auf einmal ſeinen Einfluß auf Be-
wußtſeyn und Willen wieder empfaͤngt *), nicht ohne
Gefahr iſt, ſo wird doch dieſe Gefahr dadurch ver-
mindert und zuletzt ganz aufgehoben, daß die vorhin
von ſinnlichen Gegenſtaͤnden ganz erfuͤllte und gefeſſel-
te Neigung, von einem andern hoͤhern Gegenſtand er-

grif-
*) Dadurch, daß, wie im vorigen Abſchnitte gezeigt wur-
de, die Wahlverwandſchaft zwiſchen beyden Haͤlften
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[175/0185] genſtaͤnden der Religion ſprach, war jene Unbehuͤlf- lichkeit verſchwunden, ſein Ausdruck erhob und vere- delte ſich ploͤtzlich, er ſprach, ohne es ſelbſt jemals zu wiſſen, in Verſen. Hierbey verrieth er in ſeinem Um- gange eine Liebe, ein Zartgefuͤhl, das von einer hoͤhern Bildung zeugte, als die ſogenannte Bildung der Welt iſt. Erkennen wir ſchon beym Zuſtande des Somnambu- lismus Erſcheinungen aͤhnlicher Art an, wie viel weni- ger ſollten ſie uns hier befremden. Es ſind bey wei- tem noch nicht die hoͤchſten Erſcheinungen dieſer Region! Aber auf welche Weiſe, durch welche Mittel ge- ſchieht dieſe Veraͤnderung? — In der That hier erſcheint uns die Region der Gefuͤhle und der Sinn- lichkeit in einer neuen hoͤheren Beziehung, und jene ploͤtzliche Veraͤnderung begann allerdings jederzeit zu- erſt durch Einfluͤſſe, welche die dunkle und verdaͤchtige Welt der Gefuͤhle ſtark aufregten. Wenn auch ein ſolches pſychiſches Freywerden eines vorhin gebunde- nen, ſeiner Natur nach hoͤchſt zweydeutigen Vermoͤ- gens, das nun auf einmal ſeinen Einfluß auf Be- wußtſeyn und Willen wieder empfaͤngt *), nicht ohne Gefahr iſt, ſo wird doch dieſe Gefahr dadurch ver- mindert und zuletzt ganz aufgehoben, daß die vorhin von ſinnlichen Gegenſtaͤnden ganz erfuͤllte und gefeſſel- te Neigung, von einem andern hoͤhern Gegenſtand er- grif- *) Dadurch, daß, wie im vorigen Abſchnitte gezeigt wur- de, die Wahlverwandſchaft zwiſchen beyden Haͤlften wieder hergeſtellt wird.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/185>, abgerufen am 30.04.2024.