Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.zuletzt das Böse eben so gleichgültig geworden, als sich *) Taubers Medulla animae, Cap. 66.
zuletzt das Boͤſe eben ſo gleichguͤltig geworden, als ſich *) Taubers Medulla animae, Cap. 66.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="173"/> zuletzt das Boͤſe eben ſo gleichguͤltig geworden, als<lb/> ihm das Gute ſchon laͤngſt geweſen, — fuͤr Tugend<lb/> halten. Vielmehr reden wir hier von jener Verwand-<lb/> lung des ganzen inneren Weſens, welche unveraͤnder-<lb/> lich durch das ganze Leben hindurch fortdauert, und<lb/> wodurch alle Neigungen des Menſchen auf einmal<lb/> eine neue, veredelte Richtung annehmen. Alle jene,<lb/> vorhin ſinnlichen Neigungen, zeigen ſich jetzt durch ei-<lb/> ne neue, hoͤhere Liebe, deren Gegenſtand ein geiſti-<lb/> ger und goͤttlicher iſt, verdraͤngt, und ſelbſt in jene<lb/> Naturen, die vorhin ganz Sclaven ihrer Sinnlichkeit<lb/> waren, gelangt der beſſere Wille auf einmal zur ſchwe-<lb/> ren Selbſtbeherrſchung. Eine ſolche Seele findet in<lb/> keinem Beſitz mehr Genuͤge, als in dem ihrer Liebe,<lb/> und dieſes Beſitzes gewiß, bleibt ſie bey allem andern<lb/> aͤußern und innern Wechſel ruhig, vermag wie jener<lb/> Koͤnig in Bettlerlumpen Gott zu loben, wenn ſie friert<lb/> und wenn ſie hungert <note place="foot" n="*)">Taubers <hi rendition="#aq">Medulla animae, Cap.</hi> 66.</note> und gern und froͤhlich em-<lb/> pfaͤngt ſie aus der Hand ihrer Liebe auch das Bitter-<lb/> ſte. Wie ſchon ein von ſinnlicher Liebe ergriffener<lb/> Menſch, mit ſeiner Neigung auch alles das umfaſſet,<lb/> was mit dem Gegenſtand ſeiner Liebe in Beziehung<lb/> ſteht und was dieſer in ſich begreift; ſo oͤffnet auf ei-<lb/> ne noch viel hoͤhere Weiſe die Liebe zu einem Ge-<lb/> genſtand, welcher die ganze Welt in ſich begreifet, das<lb/> Herz einer reinen Bruderliebe, die auch den herzlich<lb/> umfaßt, von dem ſie ſich gehaſſet weiß. Zugleich iſt<lb/> jene hoͤchſte Liebe ein Spiegel, worinnen die Seele<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0183]
zuletzt das Boͤſe eben ſo gleichguͤltig geworden, als
ihm das Gute ſchon laͤngſt geweſen, — fuͤr Tugend
halten. Vielmehr reden wir hier von jener Verwand-
lung des ganzen inneren Weſens, welche unveraͤnder-
lich durch das ganze Leben hindurch fortdauert, und
wodurch alle Neigungen des Menſchen auf einmal
eine neue, veredelte Richtung annehmen. Alle jene,
vorhin ſinnlichen Neigungen, zeigen ſich jetzt durch ei-
ne neue, hoͤhere Liebe, deren Gegenſtand ein geiſti-
ger und goͤttlicher iſt, verdraͤngt, und ſelbſt in jene
Naturen, die vorhin ganz Sclaven ihrer Sinnlichkeit
waren, gelangt der beſſere Wille auf einmal zur ſchwe-
ren Selbſtbeherrſchung. Eine ſolche Seele findet in
keinem Beſitz mehr Genuͤge, als in dem ihrer Liebe,
und dieſes Beſitzes gewiß, bleibt ſie bey allem andern
aͤußern und innern Wechſel ruhig, vermag wie jener
Koͤnig in Bettlerlumpen Gott zu loben, wenn ſie friert
und wenn ſie hungert *) und gern und froͤhlich em-
pfaͤngt ſie aus der Hand ihrer Liebe auch das Bitter-
ſte. Wie ſchon ein von ſinnlicher Liebe ergriffener
Menſch, mit ſeiner Neigung auch alles das umfaſſet,
was mit dem Gegenſtand ſeiner Liebe in Beziehung
ſteht und was dieſer in ſich begreift; ſo oͤffnet auf ei-
ne noch viel hoͤhere Weiſe die Liebe zu einem Ge-
genſtand, welcher die ganze Welt in ſich begreifet, das
Herz einer reinen Bruderliebe, die auch den herzlich
umfaßt, von dem ſie ſich gehaſſet weiß. Zugleich iſt
jene hoͤchſte Liebe ein Spiegel, worinnen die Seele
ſich
*) Taubers Medulla animae, Cap. 66.
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