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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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thierischen Natur, welche nur von dem Kunde hat,
was mit ihren Neigungen in Verbindung steht, und
für welche die ganze übrige Welt der Dinge nicht
vorhanden ist; nicht viel weiter ist jener Kreis bey
der thierisch-menschlichen Natur, während er bey je-
ner Liebe, deren einziger und höchster Gegenstand
der Inbegriff aller Dinge wäre, so unermeßlich seyn
würde, als jener Gegenstand selber.

Nach dem Vorhergehenden ist das Gangliensy-
stem der Ausgangspunkt und das vereinigende Cen-
trum der inneren Gefühle und Neigungen. Die von
dem Cerebralsystem abhängenden Verrichtungen unserer
Sinne, das Sehen und Hören, lassen uns an sich
kalt, und geschehen ohne Gefühl von Wollust oder
Schmerz, wenn aber bey dem Anblick einer hohen
Natur, bey dem Hören des Glockengeläutes und an-
derer Harmonien unsere Brust sich erweitert, unser
Gefühl sich erhebt, fühlen wir, daß jene Rührung
nicht in dem an sich kalten Kreis der Sinne beschlos-
sen sey, sondern aus jener Region der Gefühle kom-
me, die wir im gemeinen Leben das Herz nennen.
Dagegen sind schon alle Verrichtungen des Ganglien-
systemes an sich, selbst im Kreise des thierischen Lebens,
mit einem Gefühl von Wollust oder Schmerz verbun-
den, und das Geschäft des Nahrungnehmens, der
Geschlechtsverrichtung u. a. pflegt ursprünglich das
thierische Gefühl heftig zu erregen. Vorzüglich ge-
nießen wir dann das erhöhte Gefühl sinnlichen Wohl-
seyns und innigen Behagens, wenn jene trennende
Scheidewand zwischen dem Cerebral- und Ganglien-
system sich hinweghebt, und der enge Kreis, welcher

je-

thieriſchen Natur, welche nur von dem Kunde hat,
was mit ihren Neigungen in Verbindung ſteht, und
fuͤr welche die ganze uͤbrige Welt der Dinge nicht
vorhanden iſt; nicht viel weiter iſt jener Kreis bey
der thieriſch-menſchlichen Natur, waͤhrend er bey je-
ner Liebe, deren einziger und hoͤchſter Gegenſtand
der Inbegriff aller Dinge waͤre, ſo unermeßlich ſeyn
wuͤrde, als jener Gegenſtand ſelber.

Nach dem Vorhergehenden iſt das Ganglienſy-
ſtem der Ausgangspunkt und das vereinigende Cen-
trum der inneren Gefuͤhle und Neigungen. Die von
dem Cerebralſyſtem abhaͤngenden Verrichtungen unſerer
Sinne, das Sehen und Hoͤren, laſſen uns an ſich
kalt, und geſchehen ohne Gefuͤhl von Wolluſt oder
Schmerz, wenn aber bey dem Anblick einer hohen
Natur, bey dem Hoͤren des Glockengelaͤutes und an-
derer Harmonien unſere Bruſt ſich erweitert, unſer
Gefuͤhl ſich erhebt, fuͤhlen wir, daß jene Ruͤhrung
nicht in dem an ſich kalten Kreis der Sinne beſchloſ-
ſen ſey, ſondern aus jener Region der Gefuͤhle kom-
me, die wir im gemeinen Leben das Herz nennen.
Dagegen ſind ſchon alle Verrichtungen des Ganglien-
ſyſtemes an ſich, ſelbſt im Kreiſe des thieriſchen Lebens,
mit einem Gefuͤhl von Wolluſt oder Schmerz verbun-
den, und das Geſchaͤft des Nahrungnehmens, der
Geſchlechtsverrichtung u. a. pflegt urſpruͤnglich das
thieriſche Gefuͤhl heftig zu erregen. Vorzuͤglich ge-
nießen wir dann das erhoͤhte Gefuͤhl ſinnlichen Wohl-
ſeyns und innigen Behagens, wenn jene trennende
Scheidewand zwiſchen dem Cerebral- und Ganglien-
ſyſtem ſich hinweghebt, und der enge Kreis, welcher

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[148/0158] thieriſchen Natur, welche nur von dem Kunde hat, was mit ihren Neigungen in Verbindung ſteht, und fuͤr welche die ganze uͤbrige Welt der Dinge nicht vorhanden iſt; nicht viel weiter iſt jener Kreis bey der thieriſch-menſchlichen Natur, waͤhrend er bey je- ner Liebe, deren einziger und hoͤchſter Gegenſtand der Inbegriff aller Dinge waͤre, ſo unermeßlich ſeyn wuͤrde, als jener Gegenſtand ſelber. Nach dem Vorhergehenden iſt das Ganglienſy- ſtem der Ausgangspunkt und das vereinigende Cen- trum der inneren Gefuͤhle und Neigungen. Die von dem Cerebralſyſtem abhaͤngenden Verrichtungen unſerer Sinne, das Sehen und Hoͤren, laſſen uns an ſich kalt, und geſchehen ohne Gefuͤhl von Wolluſt oder Schmerz, wenn aber bey dem Anblick einer hohen Natur, bey dem Hoͤren des Glockengelaͤutes und an- derer Harmonien unſere Bruſt ſich erweitert, unſer Gefuͤhl ſich erhebt, fuͤhlen wir, daß jene Ruͤhrung nicht in dem an ſich kalten Kreis der Sinne beſchloſ- ſen ſey, ſondern aus jener Region der Gefuͤhle kom- me, die wir im gemeinen Leben das Herz nennen. Dagegen ſind ſchon alle Verrichtungen des Ganglien- ſyſtemes an ſich, ſelbſt im Kreiſe des thieriſchen Lebens, mit einem Gefuͤhl von Wolluſt oder Schmerz verbun- den, und das Geſchaͤft des Nahrungnehmens, der Geſchlechtsverrichtung u. a. pflegt urſpruͤnglich das thieriſche Gefuͤhl heftig zu erregen. Vorzuͤglich ge- nießen wir dann das erhoͤhte Gefuͤhl ſinnlichen Wohl- ſeyns und innigen Behagens, wenn jene trennende Scheidewand zwiſchen dem Cerebral- und Ganglien- ſyſtem ſich hinweghebt, und der enge Kreis, welcher je-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/158>, abgerufen am 30.04.2024.