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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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rer Umgebung vollkommen unempfindlich, nichts sahe
und hörte, was um sie her vorging. Sie unterhielt
sich dann zusammenhängend und voll Geist mit ab-
wesenden, von ihr gegenwärtig geglaubten Personen,
declamirte Gedichte, und wenn ihr zuweilen, beym De-
clamiren ein Wort fehlte, half es nichts, wenn ihr
die Umstehenden noch so laut und deutlich einhalfen;
sie mußte das fehlende Wort eben selber finden: wenn
man ihr die Hände hielt, beklagte sie sich ohne zu wis-
sen welche Ursache ihre Bewegungen hemmte, eben
so, wenn die offenen, vor sich hinstarrenden Augen
zugehalten wurden. Wenn sie aus jenem Zustande er-
wachte, erschrak sie, und wußte nichts mehr von Al-
lem, was mit ihr vorgegangen. Sie war nun, bis
am wechselnden Tage, wo die Träumerey wieder ein-
trat, dieselbe, die sie zuvor gewesen. Nicht ohne ei-
nigen Anschein behaupteten die sie besuchenden Freun-
dinnen, sie habe zwey Scelen, welche wechselsweise
aus ihr sprächen. -- Auch in dem ganz ähnlichen Fal-
le, welchen Gmelin *) beschreibt, gerieth die Kranke
abwechselnd in einen Zustand, wo sie sich für eine
ganz andere Person, für eine französische Ausgewan-
derte hielt, und sich mit einem erträumten Unglück
abquälte. Sie sprach dann französisch, oder gebro-
chen, und anfangs sogar mit Schwierigkeit deutsch,
hielt ihre Eltern und anwesenden Freunde für unbe-
kannte Besuchende, die an ihrem unglücklichen Loose
Theil nähmen, konnte sich durchaus an nichts erinnern,

was
*) Materialien für die Anthropologie I, und Kluge u.
a. O. S. 180.

rer Umgebung vollkommen unempfindlich, nichts ſahe
und hoͤrte, was um ſie her vorging. Sie unterhielt
ſich dann zuſammenhaͤngend und voll Geiſt mit ab-
weſenden, von ihr gegenwaͤrtig geglaubten Perſonen,
declamirte Gedichte, und wenn ihr zuweilen, beym De-
clamiren ein Wort fehlte, half es nichts, wenn ihr
die Umſtehenden noch ſo laut und deutlich einhalfen;
ſie mußte das fehlende Wort eben ſelber finden: wenn
man ihr die Haͤnde hielt, beklagte ſie ſich ohne zu wiſ-
ſen welche Urſache ihre Bewegungen hemmte, eben
ſo, wenn die offenen, vor ſich hinſtarrenden Augen
zugehalten wurden. Wenn ſie aus jenem Zuſtande er-
wachte, erſchrak ſie, und wußte nichts mehr von Al-
lem, was mit ihr vorgegangen. Sie war nun, bis
am wechſelnden Tage, wo die Traͤumerey wieder ein-
trat, dieſelbe, die ſie zuvor geweſen. Nicht ohne ei-
nigen Anſchein behaupteten die ſie beſuchenden Freun-
dinnen, ſie habe zwey Scelen, welche wechſelsweiſe
aus ihr ſpraͤchen. — Auch in dem ganz aͤhnlichen Fal-
le, welchen Gmelin *) beſchreibt, gerieth die Kranke
abwechſelnd in einen Zuſtand, wo ſie ſich fuͤr eine
ganz andere Perſon, fuͤr eine franzoͤſiſche Ausgewan-
derte hielt, und ſich mit einem ertraͤumten Ungluͤck
abquaͤlte. Sie ſprach dann franzoͤſiſch, oder gebro-
chen, und anfangs ſogar mit Schwierigkeit deutſch,
hielt ihre Eltern und anweſenden Freunde fuͤr unbe-
kannte Beſuchende, die an ihrem ungluͤcklichen Looſe
Theil naͤhmen, konnte ſich durchaus an nichts erinnern,

was
*) Materialien fuͤr die Anthropologie I, und Kluge u.
a. O. S. 180.
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[109/0119] rer Umgebung vollkommen unempfindlich, nichts ſahe und hoͤrte, was um ſie her vorging. Sie unterhielt ſich dann zuſammenhaͤngend und voll Geiſt mit ab- weſenden, von ihr gegenwaͤrtig geglaubten Perſonen, declamirte Gedichte, und wenn ihr zuweilen, beym De- clamiren ein Wort fehlte, half es nichts, wenn ihr die Umſtehenden noch ſo laut und deutlich einhalfen; ſie mußte das fehlende Wort eben ſelber finden: wenn man ihr die Haͤnde hielt, beklagte ſie ſich ohne zu wiſ- ſen welche Urſache ihre Bewegungen hemmte, eben ſo, wenn die offenen, vor ſich hinſtarrenden Augen zugehalten wurden. Wenn ſie aus jenem Zuſtande er- wachte, erſchrak ſie, und wußte nichts mehr von Al- lem, was mit ihr vorgegangen. Sie war nun, bis am wechſelnden Tage, wo die Traͤumerey wieder ein- trat, dieſelbe, die ſie zuvor geweſen. Nicht ohne ei- nigen Anſchein behaupteten die ſie beſuchenden Freun- dinnen, ſie habe zwey Scelen, welche wechſelsweiſe aus ihr ſpraͤchen. — Auch in dem ganz aͤhnlichen Fal- le, welchen Gmelin *) beſchreibt, gerieth die Kranke abwechſelnd in einen Zuſtand, wo ſie ſich fuͤr eine ganz andere Perſon, fuͤr eine franzoͤſiſche Ausgewan- derte hielt, und ſich mit einem ertraͤumten Ungluͤck abquaͤlte. Sie ſprach dann franzoͤſiſch, oder gebro- chen, und anfangs ſogar mit Schwierigkeit deutſch, hielt ihre Eltern und anweſenden Freunde fuͤr unbe- kannte Beſuchende, die an ihrem ungluͤcklichen Looſe Theil naͤhmen, konnte ſich durchaus an nichts erinnern, was *) Materialien fuͤr die Anthropologie I, und Kluge u. a. O. S. 180.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/119>, abgerufen am 25.11.2024.