offenbarungen, mußte das Verstehen aus der Seele des Schülers selber, als Begeisterung kommen.
Aus diesem Grunde scheinen jene vielfältigen Vor- bereitungen und Läuterungen gekommen, deren Stren- ge Viele von der Einweihung der egyptischen Priester zurückgeschreckt, ja nicht selten den Schülern das Le- ben geraubt hat. Ein langes Fasten und die höchste Nüchternheit, schienen vorzüglich nöthig, außer diesem wurde der Leib durch die härtesten Anstrengungen, und selbst durch willkührlich hervorgerufene Schmerzen ohn- mächtig, und so für äußere Einflüsse und die Bewe- gungen des Gemüths empfänglicher gemacht. Es wur- de hernach der Phantasie in Bildern (wie noch selbst aus der Beschreibung der Eleusinien scheint) der tiefste Innhalt der Mysterien vorgeführt, und der innre Sinn mehr durch den Gesamteindruck des Ganzen ent- flammt als (wie bey uns geschieht) durch ein Ausein- andersetzen der einzelnen Thatsachen unterrichtet. Auf diese Weise wurde den Eingeweihten nicht der tode Körper der Wissenschaft übergeben, und es so dem Zu- falle überlassen, ob dieser sich bey ihnen beseelen wür- de oder nicht, sondern der lebendige Geist der alten Naturweisheit selber.
Aus diesem Grunde, weil nämlich der Innhalt der Mysterien mehr offenbart werden mußte, als ge- lehrt, mehr von innen aus der Begeisterung und gött- lichen Trunkenheit des Gemüths kam, als von außen
offenbarungen, mußte das Verſtehen aus der Seele des Schuͤlers ſelber, als Begeiſterung kommen.
Aus dieſem Grunde ſcheinen jene vielfaͤltigen Vor- bereitungen und Laͤuterungen gekommen, deren Stren- ge Viele von der Einweihung der egyptiſchen Prieſter zuruͤckgeſchreckt, ja nicht ſelten den Schuͤlern das Le- ben geraubt hat. Ein langes Faſten und die hoͤchſte Nuͤchternheit, ſchienen vorzuͤglich noͤthig, außer dieſem wurde der Leib durch die haͤrteſten Anſtrengungen, und ſelbſt durch willkuͤhrlich hervorgerufene Schmerzen ohn- maͤchtig, und ſo fuͤr aͤußere Einfluͤſſe und die Bewe- gungen des Gemuͤths empfaͤnglicher gemacht. Es wur- de hernach der Phantaſie in Bildern (wie noch ſelbſt aus der Beſchreibung der Eleuſinien ſcheint) der tiefſte Innhalt der Myſterien vorgefuͤhrt, und der innre Sinn mehr durch den Geſamteindruck des Ganzen ent- flammt als (wie bey uns geſchieht) durch ein Ausein- anderſetzen der einzelnen Thatſachen unterrichtet. Auf dieſe Weiſe wurde den Eingeweihten nicht der tode Koͤrper der Wiſſenſchaft uͤbergeben, und es ſo dem Zu- falle uͤberlaſſen, ob dieſer ſich bey ihnen beſeelen wuͤr- de oder nicht, ſondern der lebendige Geiſt der alten Naturweisheit ſelber.
Aus dieſem Grunde, weil naͤmlich der Innhalt der Myſterien mehr offenbart werden mußte, als ge- lehrt, mehr von innen aus der Begeiſterung und goͤtt- lichen Trunkenheit des Gemuͤths kam, als von außen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0099"n="85"/>
offenbarungen, mußte das Verſtehen aus der Seele des<lb/>
Schuͤlers ſelber, als Begeiſterung kommen.</p><lb/><p>Aus dieſem Grunde ſcheinen jene vielfaͤltigen Vor-<lb/>
bereitungen und Laͤuterungen gekommen, deren Stren-<lb/>
ge Viele von der Einweihung der egyptiſchen Prieſter<lb/>
zuruͤckgeſchreckt, ja nicht ſelten den Schuͤlern das Le-<lb/>
ben geraubt hat. Ein langes Faſten und die hoͤchſte<lb/>
Nuͤchternheit, ſchienen vorzuͤglich noͤthig, außer dieſem<lb/>
wurde der Leib durch die haͤrteſten Anſtrengungen, und<lb/>ſelbſt durch willkuͤhrlich hervorgerufene Schmerzen ohn-<lb/>
maͤchtig, und ſo fuͤr aͤußere Einfluͤſſe und die Bewe-<lb/>
gungen des Gemuͤths empfaͤnglicher gemacht. Es wur-<lb/>
de hernach der Phantaſie in Bildern (wie noch ſelbſt<lb/>
aus der Beſchreibung der Eleuſinien ſcheint) der tiefſte<lb/>
Innhalt der Myſterien vorgefuͤhrt, und der innre<lb/>
Sinn mehr durch den Geſamteindruck des Ganzen ent-<lb/>
flammt als (wie bey uns geſchieht) durch ein Ausein-<lb/>
anderſetzen der einzelnen Thatſachen unterrichtet.<lb/>
Auf dieſe Weiſe wurde den Eingeweihten nicht der tode<lb/>
Koͤrper der Wiſſenſchaft uͤbergeben, und es ſo dem Zu-<lb/>
falle uͤberlaſſen, ob dieſer ſich bey ihnen beſeelen wuͤr-<lb/>
de oder nicht, ſondern der lebendige Geiſt der alten<lb/>
Naturweisheit ſelber.</p><lb/><p>Aus dieſem Grunde, weil naͤmlich der Innhalt<lb/>
der Myſterien mehr offenbart werden mußte, als ge-<lb/>
lehrt, mehr von innen aus der Begeiſterung und goͤtt-<lb/>
lichen Trunkenheit des Gemuͤths kam, als von außen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[85/0099]
offenbarungen, mußte das Verſtehen aus der Seele des
Schuͤlers ſelber, als Begeiſterung kommen.
Aus dieſem Grunde ſcheinen jene vielfaͤltigen Vor-
bereitungen und Laͤuterungen gekommen, deren Stren-
ge Viele von der Einweihung der egyptiſchen Prieſter
zuruͤckgeſchreckt, ja nicht ſelten den Schuͤlern das Le-
ben geraubt hat. Ein langes Faſten und die hoͤchſte
Nuͤchternheit, ſchienen vorzuͤglich noͤthig, außer dieſem
wurde der Leib durch die haͤrteſten Anſtrengungen, und
ſelbſt durch willkuͤhrlich hervorgerufene Schmerzen ohn-
maͤchtig, und ſo fuͤr aͤußere Einfluͤſſe und die Bewe-
gungen des Gemuͤths empfaͤnglicher gemacht. Es wur-
de hernach der Phantaſie in Bildern (wie noch ſelbſt
aus der Beſchreibung der Eleuſinien ſcheint) der tiefſte
Innhalt der Myſterien vorgefuͤhrt, und der innre
Sinn mehr durch den Geſamteindruck des Ganzen ent-
flammt als (wie bey uns geſchieht) durch ein Ausein-
anderſetzen der einzelnen Thatſachen unterrichtet.
Auf dieſe Weiſe wurde den Eingeweihten nicht der tode
Koͤrper der Wiſſenſchaft uͤbergeben, und es ſo dem Zu-
falle uͤberlaſſen, ob dieſer ſich bey ihnen beſeelen wuͤr-
de oder nicht, ſondern der lebendige Geiſt der alten
Naturweisheit ſelber.
Aus dieſem Grunde, weil naͤmlich der Innhalt
der Myſterien mehr offenbart werden mußte, als ge-
lehrt, mehr von innen aus der Begeiſterung und goͤtt-
lichen Trunkenheit des Gemuͤths kam, als von außen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/99>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.