Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

de Mensch sich jener Obergewalt mehr entziehen, oder
der Mensch wurde allmählig, während die Gewalt jenes
höheren Einflusses der (veraltenden) Natur abnahm,
auf seine eigne Kraft zurückgewiesen, und zur Selbst-
ständigkeit genöthigt. Sey es nun, daß eins oder
das andre, oder was wahrscheinlicher ist, beydes zu-
gleich statt gefunden, so mußte, je eigenthümlicher
sich die Natur des Menschen im Verlauf der Zeiten
entwickelte, desto mehr jene ursprüngliche Vollkom-
menheit desselben, die nicht sein selbstständiges Eigen-
thum war, abnehmen. Der eigne Wille ist es gewe-
sen, der den Fall des Menschen aus seiner damaligen
Höhe bewirkt hat, und eine eigenthümlichere Vollen-
dung seines Wesens hat ihn gegen den höheren Einfluß
der Natur unempfänglicher und unabhängiger ge-
macht.

So hat die Geschichte des Menschen, als das ho-
he Glück der alten Zeit von dem höheren Streben der
neueren, welches den Menschen zur Selbstständigkeit
erhebt, verdrängt war, durch vielfältiges Unglück und
den Untergang ganzer Völker, zu der höchsten Blüthe
der neuen Welt, dem Christenthum, den Uebergang ge-
funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthümli-
chere und selbstständigere Weise dem Menschen zurück,
was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage,
was der Grund gewesen sey, daß jene hohe Natur-
weisheit, einmal erschienen, wieder untergieng? daß
das hohe Glück der Urzeit sich unsrem Geschlecht nur

de Menſch ſich jener Obergewalt mehr entziehen, oder
der Menſch wurde allmaͤhlig, waͤhrend die Gewalt jenes
hoͤheren Einfluſſes der (veraltenden) Natur abnahm,
auf ſeine eigne Kraft zuruͤckgewieſen, und zur Selbſt-
ſtaͤndigkeit genoͤthigt. Sey es nun, daß eins oder
das andre, oder was wahrſcheinlicher iſt, beydes zu-
gleich ſtatt gefunden, ſo mußte, je eigenthuͤmlicher
ſich die Natur des Menſchen im Verlauf der Zeiten
entwickelte, deſto mehr jene urſpruͤngliche Vollkom-
menheit deſſelben, die nicht ſein ſelbſtſtaͤndiges Eigen-
thum war, abnehmen. Der eigne Wille iſt es gewe-
ſen, der den Fall des Menſchen aus ſeiner damaligen
Hoͤhe bewirkt hat, und eine eigenthuͤmlichere Vollen-
dung ſeines Weſens hat ihn gegen den hoͤheren Einfluß
der Natur unempfaͤnglicher und unabhaͤngiger ge-
macht.

So hat die Geſchichte des Menſchen, als das ho-
he Gluͤck der alten Zeit von dem hoͤheren Streben der
neueren, welches den Menſchen zur Selbſtſtaͤndigkeit
erhebt, verdraͤngt war, durch vielfaͤltiges Ungluͤck und
den Untergang ganzer Voͤlker, zu der hoͤchſten Bluͤthe
der neuen Welt, dem Chriſtenthum, den Uebergang ge-
funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthuͤmli-
chere und ſelbſtſtaͤndigere Weiſe dem Menſchen zuruͤck,
was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage,
was der Grund geweſen ſey, daß jene hohe Natur-
weisheit, einmal erſchienen, wieder untergieng? daß
das hohe Gluͤck der Urzeit ſich unſrem Geſchlecht nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="68"/>
de Men&#x017F;ch &#x017F;ich jener Obergewalt mehr entziehen, oder<lb/>
der Men&#x017F;ch wurde allma&#x0364;hlig, wa&#x0364;hrend die Gewalt jenes<lb/>
ho&#x0364;heren Einflu&#x017F;&#x017F;es der (veraltenden) Natur abnahm,<lb/>
auf &#x017F;eine eigne Kraft zuru&#x0364;ckgewie&#x017F;en, und zur Selb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit geno&#x0364;thigt. Sey es nun, daß eins oder<lb/>
das andre, oder was wahr&#x017F;cheinlicher i&#x017F;t, beydes zu-<lb/>
gleich &#x017F;tatt gefunden, &#x017F;o mußte, je eigenthu&#x0364;mlicher<lb/>
&#x017F;ich die Natur des Men&#x017F;chen im Verlauf der Zeiten<lb/>
entwickelte, de&#x017F;to mehr jene ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Vollkom-<lb/>
menheit de&#x017F;&#x017F;elben, die nicht &#x017F;ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiges Eigen-<lb/>
thum war, abnehmen. Der eigne Wille i&#x017F;t es gewe-<lb/>
&#x017F;en, der den Fall des Men&#x017F;chen aus &#x017F;einer damaligen<lb/>
Ho&#x0364;he bewirkt hat, und eine eigenthu&#x0364;mlichere Vollen-<lb/>
dung &#x017F;eines We&#x017F;ens hat ihn gegen den ho&#x0364;heren Einfluß<lb/>
der Natur unempfa&#x0364;nglicher und unabha&#x0364;ngiger ge-<lb/>
macht.</p><lb/>
        <p>So hat die Ge&#x017F;chichte des Men&#x017F;chen, als das ho-<lb/>
he Glu&#x0364;ck der alten Zeit von dem ho&#x0364;heren Streben der<lb/>
neueren, welches den Men&#x017F;chen zur Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit<lb/>
erhebt, verdra&#x0364;ngt war, durch vielfa&#x0364;ltiges Unglu&#x0364;ck und<lb/>
den Untergang ganzer Vo&#x0364;lker, zu der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Blu&#x0364;the<lb/>
der neuen Welt, dem Chri&#x017F;tenthum, den Uebergang ge-<lb/>
funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthu&#x0364;mli-<lb/>
chere und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigere Wei&#x017F;e dem Men&#x017F;chen zuru&#x0364;ck,<lb/>
was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage,<lb/>
was der Grund gewe&#x017F;en &#x017F;ey, daß jene hohe Natur-<lb/>
weisheit, einmal er&#x017F;chienen, wieder untergieng? daß<lb/>
das hohe Glu&#x0364;ck der Urzeit &#x017F;ich un&#x017F;rem Ge&#x017F;chlecht nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0082] de Menſch ſich jener Obergewalt mehr entziehen, oder der Menſch wurde allmaͤhlig, waͤhrend die Gewalt jenes hoͤheren Einfluſſes der (veraltenden) Natur abnahm, auf ſeine eigne Kraft zuruͤckgewieſen, und zur Selbſt- ſtaͤndigkeit genoͤthigt. Sey es nun, daß eins oder das andre, oder was wahrſcheinlicher iſt, beydes zu- gleich ſtatt gefunden, ſo mußte, je eigenthuͤmlicher ſich die Natur des Menſchen im Verlauf der Zeiten entwickelte, deſto mehr jene urſpruͤngliche Vollkom- menheit deſſelben, die nicht ſein ſelbſtſtaͤndiges Eigen- thum war, abnehmen. Der eigne Wille iſt es gewe- ſen, der den Fall des Menſchen aus ſeiner damaligen Hoͤhe bewirkt hat, und eine eigenthuͤmlichere Vollen- dung ſeines Weſens hat ihn gegen den hoͤheren Einfluß der Natur unempfaͤnglicher und unabhaͤngiger ge- macht. So hat die Geſchichte des Menſchen, als das ho- he Gluͤck der alten Zeit von dem hoͤheren Streben der neueren, welches den Menſchen zur Selbſtſtaͤndigkeit erhebt, verdraͤngt war, durch vielfaͤltiges Ungluͤck und den Untergang ganzer Voͤlker, zu der hoͤchſten Bluͤthe der neuen Welt, dem Chriſtenthum, den Uebergang ge- funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthuͤmli- chere und ſelbſtſtaͤndigere Weiſe dem Menſchen zuruͤck, was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage, was der Grund geweſen ſey, daß jene hohe Natur- weisheit, einmal erſchienen, wieder untergieng? daß das hohe Gluͤck der Urzeit ſich unſrem Geſchlecht nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/82
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/82>, abgerufen am 23.11.2024.