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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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det. Die alten Sagen der von einander entferntesten
Völker, der Indier wie der Isländer, der Chinesen
wie der Mexikaner, sprechen bald dunkler bald dentli-
cher von großen Naturrevolutionen. Auch diese Sa-
gen gehören zu jenen "Wundern der Geschichte,
Näthseln des Alterthums, die Unwissenheit verwarf,
und welche die Natur uns aufschließen wird." *)

Wir wollen hier nur Einer solchen Sage gedenken,
welche sich in der Isländischen Edda befindet. Gang-
ler, ein alter nordischer König, fragt daselbst die drey
symbolischen Gestalten der Gottheit, in dem Pallast
zu Asgarten, über den Anfang der Dinge. Jene
antworten: Im Anfang, ehe noch irgend ein Ding
war, gab es eine leuchtende feurige Materie. **)
Hernach als die Ströme der Fluthen sich ausbreiteten
von ihrem Ursprung, ward das geheimnißvolle ***)
Wesen, das sie enthielten, zu einer festen Masse,
welche anfieng stille zu stehn, und nicht weiter floß.
Es vermischte sich mit ihnen (ein Gift) der geheimniß-
volle Einfluß, daß sich das Feste vollends nach allen
Seiten gebildet, wie Eis. Da entstunden, heißt es
ferner, in dem weiten leeren Abgrund verschiedene La-

*) Schelling.
**) Diese findet sich bey den meisten Völkern in den religiö-
sen Sagen über den Ursprung der Welt. Wir werden sie
hernach auch in der Natur wiederfinden.
***) Gift.

det. Die alten Sagen der von einander entfernteſten
Voͤlker, der Indier wie der Islaͤnder, der Chineſen
wie der Mexikaner, ſprechen bald dunkler bald dentli-
cher von großen Naturrevolutionen. Auch dieſe Sa-
gen gehoͤren zu jenen „Wundern der Geſchichte,
Naͤthſeln des Alterthums, die Unwiſſenheit verwarf,
und welche die Natur uns aufſchließen wird.“ *)

Wir wollen hier nur Einer ſolchen Sage gedenken,
welche ſich in der Islaͤndiſchen Edda befindet. Gang-
ler, ein alter nordiſcher Koͤnig, fragt daſelbſt die drey
ſymboliſchen Geſtalten der Gottheit, in dem Pallaſt
zu Asgarten, uͤber den Anfang der Dinge. Jene
antworten: Im Anfang, ehe noch irgend ein Ding
war, gab es eine leuchtende feurige Materie. **)
Hernach als die Stroͤme der Fluthen ſich ausbreiteten
von ihrem Urſprung, ward das geheimnißvolle ***)
Weſen, das ſie enthielten, zu einer feſten Maſſe,
welche anfieng ſtille zu ſtehn, und nicht weiter floß.
Es vermiſchte ſich mit ihnen (ein Gift) der geheimniß-
volle Einfluß, daß ſich das Feſte vollends nach allen
Seiten gebildet, wie Eis. Da entſtunden, heißt es
ferner, in dem weiten leeren Abgrund verſchiedene La-

*) Schelling.
**) Dieſe findet ſich bey den meiſten Voͤlkern in den religioͤ-
ſen Sagen uͤber den Urſprung der Welt. Wir werden ſie
hernach auch in der Natur wiederfinden.
***) Gift.
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[46/0060] det. Die alten Sagen der von einander entfernteſten Voͤlker, der Indier wie der Islaͤnder, der Chineſen wie der Mexikaner, ſprechen bald dunkler bald dentli- cher von großen Naturrevolutionen. Auch dieſe Sa- gen gehoͤren zu jenen „Wundern der Geſchichte, Naͤthſeln des Alterthums, die Unwiſſenheit verwarf, und welche die Natur uns aufſchließen wird.“ *) Wir wollen hier nur Einer ſolchen Sage gedenken, welche ſich in der Islaͤndiſchen Edda befindet. Gang- ler, ein alter nordiſcher Koͤnig, fragt daſelbſt die drey ſymboliſchen Geſtalten der Gottheit, in dem Pallaſt zu Asgarten, uͤber den Anfang der Dinge. Jene antworten: Im Anfang, ehe noch irgend ein Ding war, gab es eine leuchtende feurige Materie. **) Hernach als die Stroͤme der Fluthen ſich ausbreiteten von ihrem Urſprung, ward das geheimnißvolle ***) Weſen, das ſie enthielten, zu einer feſten Maſſe, welche anfieng ſtille zu ſtehn, und nicht weiter floß. Es vermiſchte ſich mit ihnen (ein Gift) der geheimniß- volle Einfluß, daß ſich das Feſte vollends nach allen Seiten gebildet, wie Eis. Da entſtunden, heißt es ferner, in dem weiten leeren Abgrund verſchiedene La- *) Schelling. **) Dieſe findet ſich bey den meiſten Voͤlkern in den religioͤ- ſen Sagen uͤber den Urſprung der Welt. Wir werden ſie hernach auch in der Natur wiederfinden. ***) Gift.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/60>, abgerufen am 27.11.2024.