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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Theile, den des ganzen Organismus, mit allen seinen
einzelnen Begebenheiten lesen, und wirklich ist es be-
kannt, daß gewisse krankhafte Zufälle, welche in frü-
heren Jahren an einzelnen, minder wichtigen Organen
wahrgenommen werden, auf Krankheiten hindeuten,
von welchen andre wichtigere Theile in einem spätern
Alter befallen werden. So erfolgen bey jenen, wel-
che Anlage zu den Hämorrhoiden haben, öfters in frü-
hern Jahren Blutungen aus der Nase, im Jünglings-
alter, wo die Lunge ihre höchste Ausbildung erreicht,
aus dieser, bis endlich erst später die Krankheit an an-
dre, langsamer sich entwicklende Organe übergeht. --

So behalten jene merkwürdigen Thatsachen nichts
mehr, was mit den unveränderlichen Gesetzen der Na-
tur, und mit andern Erscheinungen derselben in Wider-
spruch stünde. Vielmehr können sie uns zu einem der
wichtigsten und klaresten Beweise jener vorherbestimmten
Harmonie des Lebens aller Einzelnen, mit dem ihres
Ganzen dienen, welche ein Hauptgegenstand dieser
Untersuchungen gewesen. Diese würde aber selber oh-
ne jene tiefere Bedeutung bleiben, welche ihr eigen-
thümlich ist, wenn sie uns nicht zuletzt auf ihren innern
Grund zurückwiese.

In dem Organischen ist es die inwohnende Lebens-
ursache, die Seele, welche, indem sie in allen einzel-
nen Theilen ihr eigenthümliches Wesen, ihr eignes inn-
res Leben ausspricht, jene Harmonie des Lebens aller
Einzelnen, und die tiefe Sympathie desselben möglich
macht. In der äußeren Natur ist es nicht minder je-
ner allgemeine höhere Einfluß, welcher bald mehr bald
minder mittelbar das Leben der Einzelnen hervorruft,
und in jedem Moment erhält. Dieser ist das unsicht-

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Theile, den des ganzen Organismus, mit allen ſeinen
einzelnen Begebenheiten leſen, und wirklich iſt es be-
kannt, daß gewiſſe krankhafte Zufaͤlle, welche in fruͤ-
heren Jahren an einzelnen, minder wichtigen Organen
wahrgenommen werden, auf Krankheiten hindeuten,
von welchen andre wichtigere Theile in einem ſpaͤtern
Alter befallen werden. So erfolgen bey jenen, wel-
che Anlage zu den Haͤmorrhoiden haben, oͤfters in fruͤ-
hern Jahren Blutungen aus der Naſe, im Juͤnglings-
alter, wo die Lunge ihre hoͤchſte Ausbildung erreicht,
aus dieſer, bis endlich erſt ſpaͤter die Krankheit an an-
dre, langſamer ſich entwicklende Organe uͤbergeht. —

So behalten jene merkwuͤrdigen Thatſachen nichts
mehr, was mit den unveraͤnderlichen Geſetzen der Na-
tur, und mit andern Erſcheinungen derſelben in Wider-
ſpruch ſtuͤnde. Vielmehr koͤnnen ſie uns zu einem der
wichtigſten und klareſten Beweiſe jener vorherbeſtimmten
Harmonie des Lebens aller Einzelnen, mit dem ihres
Ganzen dienen, welche ein Hauptgegenſtand dieſer
Unterſuchungen geweſen. Dieſe wuͤrde aber ſelber oh-
ne jene tiefere Bedeutung bleiben, welche ihr eigen-
thuͤmlich iſt, wenn ſie uns nicht zuletzt auf ihren innern
Grund zuruͤckwieſe.

In dem Organiſchen iſt es die inwohnende Lebens-
urſache, die Seele, welche, indem ſie in allen einzel-
nen Theilen ihr eigenthuͤmliches Weſen, ihr eignes inn-
res Leben ausſpricht, jene Harmonie des Lebens aller
Einzelnen, und die tiefe Sympathie deſſelben moͤglich
macht. In der aͤußeren Natur iſt es nicht minder je-
ner allgemeine hoͤhere Einfluß, welcher bald mehr bald
minder mittelbar das Leben der Einzelnen hervorruft,
und in jedem Moment erhaͤlt. Dieſer iſt das unſicht-

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[371/0385] Theile, den des ganzen Organismus, mit allen ſeinen einzelnen Begebenheiten leſen, und wirklich iſt es be- kannt, daß gewiſſe krankhafte Zufaͤlle, welche in fruͤ- heren Jahren an einzelnen, minder wichtigen Organen wahrgenommen werden, auf Krankheiten hindeuten, von welchen andre wichtigere Theile in einem ſpaͤtern Alter befallen werden. So erfolgen bey jenen, wel- che Anlage zu den Haͤmorrhoiden haben, oͤfters in fruͤ- hern Jahren Blutungen aus der Naſe, im Juͤnglings- alter, wo die Lunge ihre hoͤchſte Ausbildung erreicht, aus dieſer, bis endlich erſt ſpaͤter die Krankheit an an- dre, langſamer ſich entwicklende Organe uͤbergeht. — So behalten jene merkwuͤrdigen Thatſachen nichts mehr, was mit den unveraͤnderlichen Geſetzen der Na- tur, und mit andern Erſcheinungen derſelben in Wider- ſpruch ſtuͤnde. Vielmehr koͤnnen ſie uns zu einem der wichtigſten und klareſten Beweiſe jener vorherbeſtimmten Harmonie des Lebens aller Einzelnen, mit dem ihres Ganzen dienen, welche ein Hauptgegenſtand dieſer Unterſuchungen geweſen. Dieſe wuͤrde aber ſelber oh- ne jene tiefere Bedeutung bleiben, welche ihr eigen- thuͤmlich iſt, wenn ſie uns nicht zuletzt auf ihren innern Grund zuruͤckwieſe. In dem Organiſchen iſt es die inwohnende Lebens- urſache, die Seele, welche, indem ſie in allen einzel- nen Theilen ihr eigenthuͤmliches Weſen, ihr eignes inn- res Leben ausſpricht, jene Harmonie des Lebens aller Einzelnen, und die tiefe Sympathie deſſelben moͤglich macht. In der aͤußeren Natur iſt es nicht minder je- ner allgemeine hoͤhere Einfluß, welcher bald mehr bald minder mittelbar das Leben der Einzelnen hervorruft, und in jedem Moment erhaͤlt. Dieſer iſt das unſicht- A a 2

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/385>, abgerufen am 11.05.2024.