Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

bemerken, ohne sie zu sehen. Die Augen sind im ei-
gentlichen Somnambulismus immer so fest verschlos-
sen, daß sie mit aller Gewalt kaum einige Linien weit
geöffnet werden können. Die magnetisch Schlafenden
haben vor denselben einen lichten Schein, der zuwei-
len einem öfteren Blitzen gleicht. *) Zugleich aber ver-
mögen sie mit ihnen durchaus nichts zu sehen.

Das 16jährige Mädchen, das Heinecken fast ein
ganzes Jahr lang magnetisirte, und hierdurch vom
Tode rettete, hatte öfters, während des magnetischen
Schlafs versichert, daß sie nichts mit den Augen sehen
könnte. Dennoch stund sie, wie schon erwähnt, mit
verschlossenen Augen auf, verrichtete weibliche Arbei-
ten, schrieb, ja sie gieng sogar aus, wußte auf der
Straße immer wo sie war, und erkannte und bemerkte
alle Gegenstände die ihr begegneten. Von dem Mag-
netiseur öfters befragt, wie sie dieses vermöchte, ver-
sicherte sie immer, daß sie zwar trotz jenem beständi-
gen Licht vor dem Augen, diese nicht gebrauchen kön-
ne, daß sie aber alles, was ihr begegnete und in ihrer
Nähe wäre, auf eine andre Weise als durchs Gesicht,
aber eben so als wenn sie es sähe, wahrnähme, diese
Weise selber bliebe ihr übrigens dunkel und unbegreif-
lich. "Ihr ganzer Körper" versicherte sie andre Ma-
le, sey in jenem angenehmen Zustand "wie von Licht und
Wärme durchflossen." Diese seltsame Eigenschaft,
die sich übrigens bey allen höheren Graden des Som-

*) Auch von Gmelin oft bemerkt.

bemerken, ohne ſie zu ſehen. Die Augen ſind im ei-
gentlichen Somnambulismus immer ſo feſt verſchloſ-
ſen, daß ſie mit aller Gewalt kaum einige Linien weit
geoͤffnet werden koͤnnen. Die magnetiſch Schlafenden
haben vor denſelben einen lichten Schein, der zuwei-
len einem oͤfteren Blitzen gleicht. *) Zugleich aber ver-
moͤgen ſie mit ihnen durchaus nichts zu ſehen.

Das 16jaͤhrige Maͤdchen, das Heinecken faſt ein
ganzes Jahr lang magnetiſirte, und hierdurch vom
Tode rettete, hatte oͤfters, waͤhrend des magnetiſchen
Schlafs verſichert, daß ſie nichts mit den Augen ſehen
koͤnnte. Dennoch ſtund ſie, wie ſchon erwaͤhnt, mit
verſchloſſenen Augen auf, verrichtete weibliche Arbei-
ten, ſchrieb, ja ſie gieng ſogar aus, wußte auf der
Straße immer wo ſie war, und erkannte und bemerkte
alle Gegenſtaͤnde die ihr begegneten. Von dem Mag-
netiſeur oͤfters befragt, wie ſie dieſes vermoͤchte, ver-
ſicherte ſie immer, daß ſie zwar trotz jenem beſtaͤndi-
gen Licht vor dem Augen, dieſe nicht gebrauchen koͤn-
ne, daß ſie aber alles, was ihr begegnete und in ihrer
Naͤhe waͤre, auf eine andre Weiſe als durchs Geſicht,
aber eben ſo als wenn ſie es ſaͤhe, wahrnaͤhme, dieſe
Weiſe ſelber bliebe ihr uͤbrigens dunkel und unbegreif-
lich. „Ihr ganzer Koͤrper“ verſicherte ſie andre Ma-
le, ſey in jenem angenehmen Zuſtand „wie von Licht und
Waͤrme durchfloſſen.“ Dieſe ſeltſame Eigenſchaft,
die ſich uͤbrigens bey allen hoͤheren Graden des Som-

*) Auch von Gmelin oft bemerkt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0352" n="338"/>
bemerken, ohne &#x017F;ie zu &#x017F;ehen. Die Augen &#x017F;ind im ei-<lb/>
gentlichen Somnambulismus immer &#x017F;o fe&#x017F;t ver&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, daß &#x017F;ie mit aller Gewalt kaum einige Linien weit<lb/>
geo&#x0364;ffnet werden ko&#x0364;nnen. Die magneti&#x017F;ch Schlafenden<lb/>
haben vor den&#x017F;elben einen lichten Schein, der zuwei-<lb/>
len einem o&#x0364;fteren Blitzen gleicht. <note place="foot" n="*)">Auch von Gmelin oft bemerkt.</note> Zugleich aber ver-<lb/>
mo&#x0364;gen &#x017F;ie mit ihnen durchaus nichts zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Das 16ja&#x0364;hrige Ma&#x0364;dchen, das Heinecken fa&#x017F;t ein<lb/>
ganzes Jahr lang magneti&#x017F;irte, und hierdurch vom<lb/>
Tode rettete, hatte o&#x0364;fters, wa&#x0364;hrend des magneti&#x017F;chen<lb/>
Schlafs ver&#x017F;ichert, daß &#x017F;ie nichts mit den Augen &#x017F;ehen<lb/>
ko&#x0364;nnte. Dennoch &#x017F;tund &#x017F;ie, wie &#x017F;chon erwa&#x0364;hnt, mit<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen auf, verrichtete weibliche Arbei-<lb/>
ten, &#x017F;chrieb, ja &#x017F;ie gieng &#x017F;ogar aus, wußte auf der<lb/>
Straße immer wo &#x017F;ie war, und erkannte und bemerkte<lb/>
alle Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde die ihr begegneten. Von dem Mag-<lb/>
neti&#x017F;eur o&#x0364;fters befragt, wie &#x017F;ie die&#x017F;es vermo&#x0364;chte, ver-<lb/>
&#x017F;icherte &#x017F;ie immer, daß &#x017F;ie zwar trotz jenem be&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen Licht vor dem Augen, die&#x017F;e nicht gebrauchen ko&#x0364;n-<lb/>
ne, daß &#x017F;ie aber alles, was ihr begegnete und in ihrer<lb/>
Na&#x0364;he wa&#x0364;re, auf eine andre Wei&#x017F;e als durchs Ge&#x017F;icht,<lb/>
aber eben &#x017F;o als wenn &#x017F;ie es &#x017F;a&#x0364;he, wahrna&#x0364;hme, die&#x017F;e<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;elber bliebe ihr u&#x0364;brigens dunkel und unbegreif-<lb/>
lich. &#x201E;Ihr ganzer Ko&#x0364;rper&#x201C; ver&#x017F;icherte &#x017F;ie andre Ma-<lb/>
le, &#x017F;ey in jenem angenehmen Zu&#x017F;tand &#x201E;wie von Licht und<lb/>
Wa&#x0364;rme durchflo&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Die&#x017F;e &#x017F;elt&#x017F;ame Eigen&#x017F;chaft,<lb/>
die &#x017F;ich u&#x0364;brigens bey allen ho&#x0364;heren Graden des Som-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0352] bemerken, ohne ſie zu ſehen. Die Augen ſind im ei- gentlichen Somnambulismus immer ſo feſt verſchloſ- ſen, daß ſie mit aller Gewalt kaum einige Linien weit geoͤffnet werden koͤnnen. Die magnetiſch Schlafenden haben vor denſelben einen lichten Schein, der zuwei- len einem oͤfteren Blitzen gleicht. *) Zugleich aber ver- moͤgen ſie mit ihnen durchaus nichts zu ſehen. Das 16jaͤhrige Maͤdchen, das Heinecken faſt ein ganzes Jahr lang magnetiſirte, und hierdurch vom Tode rettete, hatte oͤfters, waͤhrend des magnetiſchen Schlafs verſichert, daß ſie nichts mit den Augen ſehen koͤnnte. Dennoch ſtund ſie, wie ſchon erwaͤhnt, mit verſchloſſenen Augen auf, verrichtete weibliche Arbei- ten, ſchrieb, ja ſie gieng ſogar aus, wußte auf der Straße immer wo ſie war, und erkannte und bemerkte alle Gegenſtaͤnde die ihr begegneten. Von dem Mag- netiſeur oͤfters befragt, wie ſie dieſes vermoͤchte, ver- ſicherte ſie immer, daß ſie zwar trotz jenem beſtaͤndi- gen Licht vor dem Augen, dieſe nicht gebrauchen koͤn- ne, daß ſie aber alles, was ihr begegnete und in ihrer Naͤhe waͤre, auf eine andre Weiſe als durchs Geſicht, aber eben ſo als wenn ſie es ſaͤhe, wahrnaͤhme, dieſe Weiſe ſelber bliebe ihr uͤbrigens dunkel und unbegreif- lich. „Ihr ganzer Koͤrper“ verſicherte ſie andre Ma- le, ſey in jenem angenehmen Zuſtand „wie von Licht und Waͤrme durchfloſſen.“ Dieſe ſeltſame Eigenſchaft, die ſich uͤbrigens bey allen hoͤheren Graden des Som- *) Auch von Gmelin oft bemerkt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/352
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/352>, abgerufen am 12.05.2024.