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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Schlafende. Wenn aber nach einer mehr oder minder
langen Dauer dieses Zwischenzustaudes abermals ein
tieferes Odemhohlen bemerkt wird, wenn jetzt sich auf
einmal die Gesichtszüge ungemein erheitern, und alle
Mienen eine gewisse hohe geistige Spannung verrathen,
ist gewöhnlich der eigentliche Somnambulismus einge-
treten. Die Kranken beantworteten nun alle ihnen
vorgelegte Fragen mit einer Klarheit und Lebhaftigkeit
des Geistes, die man sonst nie an ihnen bemerkte. Sie
beschreiben ihren Zustand selber als den seeligsten den
sie jemals erfahren. Ihre Sprache veredelt sich,
Mädchen, welche das Hochdeutsche nur aus Büchern
kannten, sprachen es nun nach Heineckens Beobach-
tungen fertig, zugleich wird die wunderbare Eigen-
schaft des Vorhersehens körperlicher Ereignisse erhalten,
wovon ich später sprechen werde. Dieser Zustand geht
zuletzt wieder in einen ähnlichen, von dem gewöhnlichen
Schlaf nicht mehr unterscheidbaren über, als der zu An-
fang war, aus welchem nundie Kranken erwachen. Zu-
weilen sahe aber auch Heinecke statt des Erwachens, nun
jenen noch mehr exaltirten Zustand eintreten, den er
Doppelschlaf nannte, wovon ich hernach reden werde.
Bey dem Erwachen fühlen sich die Kranken wie neu be-
lebt. Alle Schmerzen sind gelindert, die Verdauung
und Ernährung ist ungewöhnlich erhöht und verbessert.
Die Kräfte nehmen bey längerem Magnetisiren täglich
zu, die Nervenzufälle verliehren sich, und sehr oft be-
wirkt so der Magnetismus was kein andres Heilmittel
vermochte.


Schlafende. Wenn aber nach einer mehr oder minder
langen Dauer dieſes Zwiſchenzuſtaudes abermals ein
tieferes Odemhohlen bemerkt wird, wenn jetzt ſich auf
einmal die Geſichtszuͤge ungemein erheitern, und alle
Mienen eine gewiſſe hohe geiſtige Spannung verrathen,
iſt gewoͤhnlich der eigentliche Somnambulismus einge-
treten. Die Kranken beantworteten nun alle ihnen
vorgelegte Fragen mit einer Klarheit und Lebhaftigkeit
des Geiſtes, die man ſonſt nie an ihnen bemerkte. Sie
beſchreiben ihren Zuſtand ſelber als den ſeeligſten den
ſie jemals erfahren. Ihre Sprache veredelt ſich,
Maͤdchen, welche das Hochdeutſche nur aus Buͤchern
kannten, ſprachen es nun nach Heineckens Beobach-
tungen fertig, zugleich wird die wunderbare Eigen-
ſchaft des Vorherſehens koͤrperlicher Ereigniſſe erhalten,
wovon ich ſpaͤter ſprechen werde. Dieſer Zuſtand geht
zuletzt wieder in einen aͤhnlichen, von dem gewoͤhnlichen
Schlaf nicht mehr unterſcheidbaren uͤber, als der zu An-
fang war, aus welchem nundie Kranken erwachen. Zu-
weilen ſahe aber auch Heinecke ſtatt des Erwachens, nun
jenen noch mehr exaltirten Zuſtand eintreten, den er
Doppelſchlaf nannte, wovon ich hernach reden werde.
Bey dem Erwachen fuͤhlen ſich die Kranken wie neu be-
lebt. Alle Schmerzen ſind gelindert, die Verdauung
und Ernaͤhrung iſt ungewoͤhnlich erhoͤht und verbeſſert.
Die Kraͤfte nehmen bey laͤngerem Magnetiſiren taͤglich
zu, die Nervenzufaͤlle verliehren ſich, und ſehr oft be-
wirkt ſo der Magnetismus was kein andres Heilmittel
vermochte.


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[333/0347] Schlafende. Wenn aber nach einer mehr oder minder langen Dauer dieſes Zwiſchenzuſtaudes abermals ein tieferes Odemhohlen bemerkt wird, wenn jetzt ſich auf einmal die Geſichtszuͤge ungemein erheitern, und alle Mienen eine gewiſſe hohe geiſtige Spannung verrathen, iſt gewoͤhnlich der eigentliche Somnambulismus einge- treten. Die Kranken beantworteten nun alle ihnen vorgelegte Fragen mit einer Klarheit und Lebhaftigkeit des Geiſtes, die man ſonſt nie an ihnen bemerkte. Sie beſchreiben ihren Zuſtand ſelber als den ſeeligſten den ſie jemals erfahren. Ihre Sprache veredelt ſich, Maͤdchen, welche das Hochdeutſche nur aus Buͤchern kannten, ſprachen es nun nach Heineckens Beobach- tungen fertig, zugleich wird die wunderbare Eigen- ſchaft des Vorherſehens koͤrperlicher Ereigniſſe erhalten, wovon ich ſpaͤter ſprechen werde. Dieſer Zuſtand geht zuletzt wieder in einen aͤhnlichen, von dem gewoͤhnlichen Schlaf nicht mehr unterſcheidbaren uͤber, als der zu An- fang war, aus welchem nundie Kranken erwachen. Zu- weilen ſahe aber auch Heinecke ſtatt des Erwachens, nun jenen noch mehr exaltirten Zuſtand eintreten, den er Doppelſchlaf nannte, wovon ich hernach reden werde. Bey dem Erwachen fuͤhlen ſich die Kranken wie neu be- lebt. Alle Schmerzen ſind gelindert, die Verdauung und Ernaͤhrung iſt ungewoͤhnlich erhoͤht und verbeſſert. Die Kraͤfte nehmen bey laͤngerem Magnetiſiren taͤglich zu, die Nervenzufaͤlle verliehren ſich, und ſehr oft be- wirkt ſo der Magnetismus was kein andres Heilmittel vermochte.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/347>, abgerufen am 09.05.2024.