stehen sie mit diesem in einer eben so nothwendigen Be- ziehung, als so viele Insekten mit dem der vollkommne- ren Blumen, welche die Natur im Pflanzenreich, wo die männlichen und weiblichen Blüthen an weit ent- fernten Bäumen stehen, als Boten der Liebe braucht, die der einsam, mitten in der Sandwüste stehenden weiblichen Palme, den Blüthenstaub der männlichen überbringen, und so dem Araber, der sich dasselbe zum Geschäft macht, zu Hülfe kommen.
Sehr merkwürdig, und wie es scheint, nicht ohne tiefe Bedeutung, ist die große Aehnlichkeit einiger Blumen, welche Blumenhonig hervorbringen, mit den Insekten die sie gewöhnlich zu berauben pflegen. Einige Orchisarten, unter andern die, welche deshalb Bienenorchis heißt, verschiedene Arten des Rittersporns, gleichen in ge- wissen Theilen ihrer Blüthe, nicht allein an Farbe, sondern auch an Gestalt, vollkommen den Insekten, die sich im geflügelten Zustand gewöhnlich zu ihnen ge- sellen. Die Fruchtbehältnisse jener veränderlichen Art des Medicago, gleichen in einigen ihrer Metamorphosen ganz einer Raupe, die sich öfters auf ihm aufhält, und diese thierische Gestalt nehmen auch die Saamen der Calendula an. Der untere Theil der Blumenkro- ne einer persischen Irisart, gleicht in seinen bunten Farben und in der flügelartigen Ausbreitung seiner bey- den Hälften, vollkommen einem Schmetterling jener Gegenden. Die Nectareen einer südamerika ischen Art von Frauenschuh (Cypripedium) sind in Gestalt, Far-
ſtehen ſie mit dieſem in einer eben ſo nothwendigen Be- ziehung, als ſo viele Inſekten mit dem der vollkommne- ren Blumen, welche die Natur im Pflanzenreich, wo die maͤnnlichen und weiblichen Bluͤthen an weit ent- fernten Baͤumen ſtehen, als Boten der Liebe braucht, die der einſam, mitten in der Sandwuͤſte ſtehenden weiblichen Palme, den Bluͤthenſtaub der maͤnnlichen uͤberbringen, und ſo dem Araber, der ſich daſſelbe zum Geſchaͤft macht, zu Huͤlfe kommen.
Sehr merkwuͤrdig, und wie es ſcheint, nicht ohne tiefe Bedeutung, iſt die große Aehnlichkeit einiger Blumen, welche Blumenhonig hervorbringen, mit den Inſekten die ſie gewoͤhnlich zu berauben pflegen. Einige Orchisarten, unter andern die, welche deshalb Bienenorchis heißt, verſchiedene Arten des Ritterſporns, gleichen in ge- wiſſen Theilen ihrer Bluͤthe, nicht allein an Farbe, ſondern auch an Geſtalt, vollkommen den Inſekten, die ſich im gefluͤgelten Zuſtand gewoͤhnlich zu ihnen ge- ſellen. Die Fruchtbehaͤltniſſe jener veraͤnderlichen Art des Medicago, gleichen in einigen ihrer Metamorphoſen ganz einer Raupe, die ſich oͤfters auf ihm aufhaͤlt, und dieſe thieriſche Geſtalt nehmen auch die Saamen der Calendula an. Der untere Theil der Blumenkro- ne einer perſiſchen Irisart, gleicht in ſeinen bunten Farben und in der fluͤgelartigen Ausbreitung ſeiner bey- den Haͤlften, vollkommen einem Schmetterling jener Gegenden. Die Nectareen einer ſuͤdamerika iſchen Art von Frauenſchuh (Cypripedium) ſind in Geſtalt, Far-
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ſtehen ſie mit dieſem in einer eben ſo nothwendigen Be-
ziehung, als ſo viele Inſekten mit dem der vollkommne-
ren Blumen, welche die Natur im Pflanzenreich, wo
die maͤnnlichen und weiblichen Bluͤthen an weit ent-
fernten Baͤumen ſtehen, als Boten der Liebe braucht,
die der einſam, mitten in der Sandwuͤſte ſtehenden
weiblichen Palme, den Bluͤthenſtaub der maͤnnlichen
uͤberbringen, und ſo dem Araber, der ſich daſſelbe zum
Geſchaͤft macht, zu Huͤlfe kommen.
Sehr merkwuͤrdig, und wie es ſcheint, nicht ohne
tiefe Bedeutung, iſt die große Aehnlichkeit einiger Blumen,
welche Blumenhonig hervorbringen, mit den Inſekten die
ſie gewoͤhnlich zu berauben pflegen. Einige Orchisarten,
unter andern die, welche deshalb Bienenorchis heißt,
verſchiedene Arten des Ritterſporns, gleichen in ge-
wiſſen Theilen ihrer Bluͤthe, nicht allein an Farbe,
ſondern auch an Geſtalt, vollkommen den Inſekten,
die ſich im gefluͤgelten Zuſtand gewoͤhnlich zu ihnen ge-
ſellen. Die Fruchtbehaͤltniſſe jener veraͤnderlichen Art
des Medicago, gleichen in einigen ihrer Metamorphoſen
ganz einer Raupe, die ſich oͤfters auf ihm aufhaͤlt,
und dieſe thieriſche Geſtalt nehmen auch die Saamen
der Calendula an. Der untere Theil der Blumenkro-
ne einer perſiſchen Irisart, gleicht in ſeinen bunten
Farben und in der fluͤgelartigen Ausbreitung ſeiner bey-
den Haͤlften, vollkommen einem Schmetterling jener
Gegenden. Die Nectareen einer ſuͤdamerika iſchen Art
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/266>, abgerufen am 25.11.2024.
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